Nachträglich bestätigt

Laut einer TU-Studie ist die Entscheidung für den Ausbau des Flughafens Schönefeld die ökologisch verträglichste Variante  ■ Von Martin Kaluza

Nach fünf Jahren hartnäckiger Auseinandersetzungen um den Standort eines Großflughafens Berlin-Brandenburg International (BBI) wurden sowohl hitzige Streiter als auch unbeteiligte Beobachter in der letzten Maiwoche erlöst. Bekanntermaßen einigten sich Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann, der Berlin regierende Eberhard Diepgen und (unter langem Winden und Ächzen) sogar Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe darauf, daß kein neuer Flughafen entstehen soll. Statt dessen soll der Flughafen Schönefeld bis zum Jahr 2010 auf eine Kapazität von 20 Millionen Passagieren jährlich ausgebaut werden. Die innerstädtischen Standorte Tegel und Tempelhof sollen in den kommenden Jahren geschlossen werden.

Zufriedenheit über diese Entscheidung herrscht immerhin an der Technischen Universität (TU). Studierende der Landschaftsplanung sind nämlich in einer im vergangenen Semester vorgestellten Umweltverträglichkeitsstudie zu dem Ergebnis gekommen, daß die getroffene Standortentscheidung bekräftigt: Nach ihrer Ansicht ist der Ausbau Schönefelds bei gleichzeitiger Schließung von Tegel und Tempelhof die umweltschonendste Variante.

Das legt bei flüchtigem Hinsehen die Vermutung nahe, man habe sich bewußt für das umweltverträglichste Konzept entschiedenen, aber das ist nicht der Fall: Die Entscheidung fiel aus Kostengründen auf den Ausbau von Schönefeld, verspricht doch das Schönefeld-Konsortium, dem Daimler- Benz, die Dresdner Bank und der US-amerikanische Flughafensprezialist Airport Group International angehören, den Ausbau völlig ohne öffentliche Investitionen über die Bühne zu bringen. An Umweltgutachten hatte man sich bei dem Zuschlag weniger orientiert. So war in der Studie, die offiziell zur Entscheidungsfindung herangezogen worden war, der Standort Schönefeld noch als ungeeignet bezeichnet worden: Die Argumentation des Raumordnungsverfahrens, das vor eineinhalb Jahren vom brandenburgischen Umweltministerium durchgeführt worden war, stützte sich damals auf wirtschaftliche. soziale und vor allem ökologische Gesichtspunkte.

In der von Studierenden der TU durchgeführten Umweltverträglichkeitsstudie schnitten die Varianten, die den Bau eines Großflughafens in Sperenberg beinhalteten, durchweg deutlich schlechter ab als die vergleichbaren Schönefeld- Varianten. Die größten Entlastungseffekte für die Umwelt, so die Studie, könnten vor allem durch Schließung der innerstädtischen Flughäfen Tegel und Tempelhof erzielt werden. Die Umweltentlastung bei einer Konzentration des Flugverkehrs auf den Standort Schönefeld sei auch dann gegeben, wenn ein Ausbau Schönefelds mit zwei Start- und Landebahnen zu einer Kapazität von 30 Millionen Fluggästen pro Jahr erfolge. Vor allem, wenn nur ein innerstädtischer Flughafen geschlossen werde, falle die Entlastung der Umwelt deutlich geringer aus.

Dietwald Gruehn, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Landschaftsplanung an der TU, erklärt, wie die unterschiedlichen Untersuchungsergebnisse zustande kamen. So seien im 1994er Raumordnungsverfahren die Auswirkungen des Flughafens auf die „Schutzgüter“ Mensch, Wasser, Boden, Klima, Tiere, Pflanzen sowie auf Landschafts- und Erholungsaspekte untersucht worden. Danach sei der Mensch ein isolierter Faktor unter anderen, stehe gewissermaßen neben der Umwelt. In der Studie, die die Studierenden der TU angefertigt haben, seien auch die Wechselwirkungen der Faktoren untereinander berücksichtigt worden. Das leuchtet ein, wenn man bedenkt, daß sich zum Beispiel Umweltschäden in der Natur früher oder später auch in der Gesundheit der Menschen niederschlagen.

Nachdem also die Entscheidung um den Flughafen BBI gefallen ist und die Studie der TU-Studierenden die Wahl nur bekräftigen kann, sollte man meinen, nun sei endlich Ruhe im Karton. Dem ist aber nicht so: Gerade, wenn es um die zügige Schließung des Flughafens Tegel geht, herrscht noch Uneinigkeit. Der CDU-Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus, Klaus-Rüdiger Landowsky, ist der Meinung, Tegel solle als Ausweichflughafen betriebsbereit gehalten werden, bis Schönefeld zum Großflughafen ausgebaut worden sei.

Die Lufthansa hingegen hält nichts mehr in Tegel. Sie will so bald wie möglich nach Schönefeld umziehen. Rückendeckung könnte Landowsky nun ausgerechnet von den Gegnern einer zweiten Startbahn in Schönefeld bekommen: Erst wenn diese fertiggestellt ist, so lautet der Beschluß, soll Tegel stillgelegt werden. Legen also Umweltaktivisten den Startbahnbau lahm, bleibt Tegel, Ironie der Vereinbarung, offen.

Dabei ist die Koppelung der Schließung Tegels an den Startbahnbau in Schönefeld nach Meinung von Bündnis 90/Die Grünen völlig unnötig. Der Abgeordnete Burkhard Müller-Schönau erklärt: „Schönefeld kann ohne weiteres 15 bis 16 Millionen Fluggäste jährlich bewältigen, wenn zusätzliche Abfertigungskapazitäten zur Verfügung stehen.“ Die Erwartungen des Senats, die von künftig 20 Millionen Fluggästen im Jahr ausgehen, seien aus unbegründeten Optimismus heraus viel zu hoch gegriffen. Schon in kurzer Zeit könne Schönefeld die 11 Millionen Fluggäste abfertigen, die die drei Berliner Flughäfen heute insgesamt haben. Müller-Schönau fordert deshalb die sofortige Schließung des Flughafens Tempelhof und ein baldiges Nachziehen im Fall Tegel. Ein einziger Flughafen sei zudem kundenfreundlicher als drei – beim Umsteigen erspare man den Fluggästen so die manchmal erzwungene Stadtrundfahrt.