Karadžić tritt hinter die Kulissen

■ Der bosnische Serbenführer gibt alle seine Ämter auf. Auch in Rundfunk und Fernsehen darf er nun nicht mehr auftreten. Bundesaußenminister Kinkel verlangt Überstellung des angeklagten Kriegsverbrechers nach Den Haag

Sarajevo/Belgrad (AFP/dpa/taz) – Unter dem Druck der USA hat der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić gestern schriftlich zugesagt, sich sofort aus dem politischen und öffentlichen Leben zurückzuziehen. Karadžić verzichte auf das Amt des Präsidenten der Serbischen Republik in Bosnien und auf das Amt des Vorsitzenden der Serbischen Demokratischen Partei (SDS), sagte der US-Sondergesandte Richard Holbrooke gestern in Belgrad. Der Serbenführer habe eine entsprechende Erklärung unterzeichnet, die vom serbischen Präsidenten Slobodan Milošević bezeugt worden sei.

„Das ist das Ende der politischen Karriere von Karadžić“, sagte Holbrooke. Der Serbenführer werde weder im Fernsehen oder Rundfunk noch in der Öffentlichkeit auftreten. Auch werde er nicht an den Wahlen teilnehmen. Holbrooke fügte hinzu: „Wir haben noch höhere Ziele als diese, aber dies ist ein wichtiger Schritt vorwärts.“ Karadžić und sein Armeechef Ratko Mladić müßten vor das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gestellt werden.

Die Erklärung haben auch die amtierende Präsidentin der bosnischen Serben, Biljana Plavšić, der Parlamentspräsident Momcilo Krajišnik und der Außenminister Aleksa Buha unterzeichnet. Die Übereinkunft hatte Holbrooke in mehr als zwölfstündigen Verhandlungen mit Milošević, Krajišnik und Buha in der Nacht zu Freitag in Belgrad erzielt. Buha wird die Vollmachten und Verantwortlichkeiten des Parteichefs der SDS übernehmen.

Die Entmachtung wurde gestern international begrüßt, aber vor einer Überbewertung dieses Schrittes gewarnt. Der Weg für die Wahlen im September mit Beteiligung der SDS sei jetzt frei, hieß es in einer Stellungnahme der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die die Wahlen vorbereitet und überwacht. Als einen Beweis dafür, daß viel erreichbar ist, wenn die internationale Gemeinschaft an einem Strang ziehe, wertete der deutsche Diplomat und zweite Mann in der internationalen Administration von Bosnien, Michael Steiner, den Rücktritt.

Steiner warnte jedoch davor, den diplomatischen Erfolg überzubewerten. „Wir werden genau zu prüfen haben, ob der von Karadžić unterschriebene Text in allen Teilen konkretisiert wird.“ Außenminister Klaus Kinkel beharrt weiter auf einer Überstellung Karadžićs an das Tribunal in Den Haag. Kinkel sagte in Bonn: „Alle mutmaßlichen Kriegsverbrecher – nicht nur die Handlanger, sondern auch die für den Völkermord politisch Verantwortlichen – müssen vor das Tribunal.“ Er meinte, es müsse verhindert werden, daß Karadžić „indirekt über Strohmänner“ weiter fungiere.

Nato-Generalsekretär Javier Solana begrüßte den Schritt, betonte aber, daß Gerechtigkeit geschehen müsse. „Der richtige Platz für Radovan Karadžić ist das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag“, hieß es in einer in Brüssel verbreiteten Erklärung. Mit dem Rücktritt sind nach Ansicht des russischen Außenministeriums die internationalen Bestimmungen über Bosnien „vollständig erfüllt“ worden. er/gb