Werder verschnarcht UI-Cup

■ Der Linzer ASK war schneller im Kopf und auf den Beinen / Werder Bremen nach 1:3-Heimpleite aus dem internationalen Geschäft / Nur Herzog in Normalform

Hernach lagen die Nerven bei den Werder-Oberen blank. Als die Sportjournaille langsam im Presseraum des Weserstadions eintrudelte, da bildete sich ein Knubbel vor dem Fernseher. Alle wollten wissen, wie die vorletzte Etappe der Tour de France ausgegangen war, ganz zu schweigen von den anderen Spielen im UI-Cup. Nur gab es noch keine Ergebnisse im Videotext. „Da ist noch nichts drin“, flötete der fröhliche Werder-Tontechniker, der seit Jahr und Tag die Mikro-Anlage bedient. „Genauso wie bei Werder. Da war auch nichts drin.“ Der Scherz schien nicht ganz nach dem Geschmack des Werder-Vizepräsidenten Klaus-Dieter Fischer zu sein. „Sie haben hier überhaupt nichts zu meinen“, schnauzte er seinen Angestellten im besten Kasernenhof-Ton an. „Sie haben hier nur das Ding hier“ – und er machte eine wegwerfende Handbewegung in Richtung Tonanlage – „an und auszustellen. Für die Meinung gibt es die Journalisten und uns hier.“

Hernach lagen die Nerven bei den Werder-Oberen blank. Kein Wunder, gerade hatte sich die Mannschaft selbst aus dem internationalen Geschäft geschnarcht. 3:1 hatte der Linzer ASK, fünfter der österreichischen Meisterschaft, gewonnen und damit Werder den Gruppensieg und das Weiterkommen im UI-Cup vor der Nase weggeschnappt. Und niemand könnte behaupten, die Bremer wären gegen eine übermächtig aufspielende europäische Spitzentruppe untergegangen. Das waren eher solide Fußwerker, die den Grün-weißen allerdings eins voraus hatten: Sie waren wach. Werder spielte wie teilanästhesiert. Immer einen Schritt langsamer, immer einen Gedanken hinterher. Weder hat den UI-Cup schlicht verpennt.

Dabei hatte alles ganz munter angefangen. Das Wetter war prima, wieder waren fast 18.000 ZuschauerInnen gekommen, und die sahen eine halbe Stunde lang eine Bremer Mannschaft, die das Geschehen auf dem Rasen beherrschte. Herzog dynamisierte das Spiel nach Herzenslust und war von seinen österreichischen Landsleuten nie in den Griff zubekommen, Cardoso, immerhin, bemühte sich, das Mittelfeld kombinierte ziemlich gefällig, und die Linzer kamen kaum aus ihrer eigenen Hälfte heraus. Mehr als ein neben den Ball getretenes Luftloch brachten die Linzer Stürmer nicht zustande.

Die Bremer allerdings auch nicht. Die waren nur mit Bruno Labbadia in der Spitze angetreten, gerade genug, daß der, umringt von den abwehrstarken Österreichern, den Ball immer mal wieder für einen nachrückenden Mittelfeldspieler abtropfen lassen konnte. So waren es auch die Spieler aus der zweiten Reihe, die die Chancen auf ein Führungstor hatten. Mal Herzog, mal Cardoso, mal Pfeifenberger – aber gehalten, drüber, gehalten.

Bis Linz um die 30. Minute herum merkte, daß die Bremer alles andere als unverwundbar waren. Der ASK fing an, flotten Konterfußball zu spielen. Und das klappte bestens. Das klappte, weil Werder artig Platz machte für schnelle Vorstöße. Diesmal war es nicht Baiano, der sich als letzter Mann leichtsinnig verfummelt, oder Wolter, der die Abwehr nicht richtig im Griff, oder Cardoso, der Reihenweise Pässe ins Nirvana produziert, oder Bestchastnikh (in der zweiten Halbzeit für Votava gekommen), der sich verhudelt hätte – es war nichts von alldem und alles zusammen, was zu dem desaströsen Ergebnis führte. Dieter Eilts, der vom Publikum stürmisch begrüßt auf der Tribüne Platz genommen hatte, schimpfte fast 90 Minuten lang über die Stellungsfehler seiner Mitkicker auf dem Rasen. Und Trainer Hans-Jürgen Dörner probierte einen umgekehrten Vogts. Der hatte nach der EM immer wieder gesagt, die Mannschaft sei der Sieger. Dörner am Samstag: Er wolle über keinen Spieler besonders reden, die ganze Mannschaft habe verloren.

Die verlor erst die Kraft, dann die Konzentration und Übersicht und schließlich einen Zweikampf nach dem anderen. Von Pressing, dem frühen Stören des Gegners in dessen eigener Hälfte, war keine Rede. Und als Linz nach einem Freistoß in der 47. Minute auch noch in Führung ging, als die Werder-Hintermannschaft komplett neben sich stand, statt neben dem gegnerischen Spieler, da ging bei Werder gleich gar nichts mehr. Die Bremer mußten unbedingt gewinnen, um UI-Gruppensieger zu werden und in die nächste Runde einzuziehen, doch zwingender wurden die Chancen der Grün-weißen dadurch nicht. Allein Herzog faßte ab und an Mut und probierte einen Sololauf, um die Abseitsfalle der Linzer auszutricksen. Immerhin schaffte er es, daß einer der österreichischen Abwehrspieler so dusselig war, ihn bei einem der Vorstöße in der 55. Minute im Strafraum von den Beinen zu holen. Dabei war der Bremer eher auf dem Weg zur Torauslinie als zu einer zwingenden Chance. Den fälligen Elfmeter verwandelte Herzog gleich selbst.

Die Bremer wollten gewinnen, das schon, aber ach, sie konnten nicht. Je mehr Zeit dahinging, desto mehr erfolglose Stürmer brachte Dörner auf den Platz, desto mehr konzentrierte sich die ganze spielerische Hilflosigkeit an diesem Samstag in der Linzer Hälfte – und desto größer wurden die Lücken in der Werder-Hintermannschaft. Das sind dann die Situationen, in denen man sich leicht mal einen Konter einfängt. Am Samstag waren es gleich zwei, einen in der 85. und einen in der 90. Minute.

Man sei halt in der Vorbereitung auf die neue Saison noch nicht so weit, sagte Hans-Jürgen Dörner. Dem ASK habe man angemerkt, daß die österreichische Meisterschaft schon am Mittwoch losgeht. These: Mit dicken Beinen läuft man immer hinterher. Wobei Wolf Werner, der neue Werder-Jugendkoordinator und Ex-Bundesligatrainer von Borussia Mönchen-gladbach, eher die Müdigkeit im Kopf gesehen hat: „Man siegt nicht im Vorbeigehen.“ Jochen Grabler

Werder-ASK Linz 1:3

0:1 Kauz (48. Minute), 1:1 Herzog (Elfmeter, 55.), 1:2 (Scharrer, 85.), 1:3 (Kauz, 90.);

Linz:

Schicklgruber, Kartalija, Russ, Rohseano, Dubajic, Augustine, Kogler (bis 45., dann Scharrer), Hochmaier, Metlisky (bis 65., dann Berchthold), Duspara, Weissenberger (bis 45., dann Kauz), Trainer: Rausch;

Werder:

Rost, Scholz, Baiano, Ramzy, Wolter, Herzog, Pfeifenberger, Votava (bis 45., dann Bestchastnikh), Labbadia, Cardoso, Brand (bis 65., dann Hobsch), Trainer: Dörner;

Schiedsrichter:

Meese, Mallach, de Meulenaere ZuschauerInnen: knapp 18.000