Optimisten und Macher

Gesichter der Großstadt: Brigitte und Max Olschewski erfanden ein Waschmittel auf Hanfbasis, das umweltverträglicher als die Konkurrenz wäscht  ■ Von Kathi Seefeld

„Sativa“ gibt's in keinem Werbespot, und doch kann man es kaufen. Im Hanf-Haus oder in Naturkostläden ist seit Mitte Juni jenes Waschmittel zu haben, das bundesweit sämtliche Experten aus der Ruhe bringt. Es wäscht nicht nur sauber und packt jeden Fleck, so man ihn mit einem Spray oder einer Paste aus denselben Wirkstoffen – nur in höherer Konzentration – vorbehandelt.

Es kommt vor allem ohne Bleichmittel, Phosphate und Phosphonate, ohne Enzyme und optische Aufheller aus. Während herkömmliche Mittel erst nach zehn Tagen zu etwa 60 bis 80 Prozent biologisch abgebaut sind, ist „Sativa“ längst spurlos verschwunden. Einzig der Kilopreis von 17 Mark, zurückzuführen darauf, daß ein Bestandteil von „Sativa“, nämlich Hanf, noch nicht in großen Mengen angebaut und deshalb teuer ist, macht der Erfinderin und dem Erfinder noch zu schaffen.

Erfinder, wie das klingt! „Ich bin ein Optimist und Macher“, sagt Olschewski, Max, und huscht, nicht ohne vorher schnell eine kleine Anekdote aus seinem Wissenschaftlerleben preiszugeben, ins Labor zurück. Irgendwann, in einer Stunde, wird er wiederkommen, das Ende der Geschichte mitteilen und wenig später erneut in seine Arbeit versinken. Kosmetik ist ihr nächstes Ziel. Zuallererst ein Shampoo, auf dem nicht nur „Öko“ draufsteht, sondern das auch wirklich „Öko“ ist.

„An seiner ungeheuren Energie, Dinge anzupacken, hat sich nichts geändert“, sagt Brigitte Olschewski, einst Arbeitskollegin am Institut für Organische Chemie an der Akademie der Wissenschaften der DDR, seit 1981 seine Ehefrau und nunmehr Geschäftsführerin des kleinen Unternehmens „Cycloclean Bo“. Sie ist froh darüber, daß ihr Mann so anstrengend ist, wie er ist. Und sie beneidet ihn zugleich um manche Stunde im Labor, die sie mit Rechnungen, Briefen und dem ganzen Schreibkram kämpfend verbringt, der ihr fremd ist und mitunter nicht geheuer. Aber weil sie als Wissenschaftler zu DDR-Zeiten keine Rücklagen bilden konnten, heute lieber jeden Pfennig in die forschende Entwicklung stecken und alles dafür geben würden, ihren beiden Kindern, 11 und 14 Jahre alt, eine ordentliche Bildung zu ermöglichen, fehlt es am Geld für eine richtige Bürokraft.

„Für uns kam die Wende vielleicht zwanzig Jahre zu spät“, meint die promovierte Chemikerin. Doch darüber jammern wird sie nicht. Phantastische Arbeitsbedingungen hätten sie im Innovationspark Wuhlheide, mitten im Grünen, sagt sie.

ABM-Hilfe gekündigt

„Viele unserer ehemaligen Kollegen haben, als die Akademie abgewickelt wurde, gesagt: Das war's dann. Mit Fünfzig geht im Westen nichts mehr.“ Max und Brigitte, mittlerweile 55 und 51 Jahre alt, kündigten dagegen ihre einzige Überlebensversicherung, die ABM. Zuwenig Anspruch, zu viele Seilschaften und genaugenommen gar keine Perspektive, schätzen sie heute. „Durch den Schritt in die Selbständigkeit sind wir zumindest ein Stück weit angekommen in der neuen Zeit.“

Max, versucht Brigitte Olschewski zu erklären, habe durch seine Geradlinigkeit schon an der Akademie zu den Wissenschaftlern gehört, denen es gelang, sich immer durchzusetzen, auch ohne die sonst üblichen Karrierepfeiler und trotz Stasi, die mindestens vier Jahre lang ein Auge auf den unangepaßten Chemiker warf. „Schnick- schnack!“ wehrt sich Max gegen soviel Ernst: „Ich war eben immer ein kunterbunter Hund.“ Dieser hatte, Jahrgang 40, „zuerst einen anständigen Beruf“ erlernt: „Laborant. Mir konnte später keiner auch nur eine Zahl vormachen. Ich wußte bei Versuchsreihen immer, woran ich war, und dadurch wurde uns viel Mehrarbeit erspart.“

Polymere, Elastomere – ein Patent jagte das nächste, die Akademie blieb in der DDR sein erster und letzter Arbeitsplatz. „Ich bin Wissenschaftler aus Leidenschaft. Genauso leidenschaftlich spiele ich Klavier, nur schlechter, schreibe Texte und mähe barfuß Gras mit einer Sense.“

Noch kurz vor der Wende entwickelte Olschewski ein Kunstleder von bis heute „einmaliger“ Oberflächenbeschaffenheit und Elastizität. „In solchen Schuhen hätte Omma keene Probleme mit de Ballen jekricht“, preist der in Prenzlauer Berg Aufgewachsene sein Produkt. Und haltbar sei es gewesen. Die DDR-Oberen jubelten. Ein Material hatte er erfunden, auf das heute nicht ein Schuhproduzent scharf ist. „Nicht auszudenken, wenn Schuhe länger als eine Saison hielten ...“

Beide schwören auf Hanf

Die neue, die Wegwerfgesellschaft, wurde von den beiden als Herausforderung angenommen. „Vielleicht denkt man, wenn man Kinder hat, umweltbewußter als andere.“ Für ihre Experimente nutzten die Olschewskis ihre umfangreichen Kenntnisse aus dem Bereich der Grenzflächenchemie. Und immer standen nachwachsende Rohstoffe im Mittelpunkt ihrer Untersuchungen. Raps, Sonnenblumen.

Eine zufällige Begegnung brachte Max Olschewski vor etwa zwei Jahren auf Hanf. Hanf, die alte Kulturpflanze, begeisterte den Forscher durch seine ganzheitliche Verwendbarkeit sofort. Hanfhosen seien das absolut Beste, was es gebe, und deshalb trage er sie auch. „Im Winter halten die mich warm, und sie kühlen im Sommer. Reißfest sind sie, die einzigen Hosen, die vererbt werden können ohne Löcher an den Knien.“ Eine kleine Flasche Hanföl aus dem Kreuzberger Hanf-Haus, für die sie sofort alle anderen Testreihen unterbrachen, bescherte den Olschewskis nach vierzehn Tagen emsiger Tätigkeit in Sachen Waschmittel den Durchbruch.

„Nur für die Geschichten habe ich jetzt keine Zeit mehr“, meint Olschewski, Max, erneut ins Bürozimmer stürzend. Die Produktion von zunächst hundert Tonnen „Sativa“ muß vorbereitet werden. Mittelständische Unternehmen in den neuen Bundesländern werden die Produktion übernehmen. Schon will er wieder ins Labor... „Aber das muß ich ihnen unbedingt noch sagen!“

Und er erzählt kurz, auf die Schnelle, von jenem Max Olschewski, der abends seine Kinder mit zwei hellklingenden tibetischen Gebetsglocken oder Percussions- Instrumenten zum Nachhausekommen rief, weil er es haßte, wie andere Väter nach ihnen zu pfeifen.