Der Rothaari-Club Von Frank M. Ziegler

Rothaarige Frauen überschwemmen die deutsche Serienlandschaft! Naturfarben, getönt und gehennat brechen sie in jüngster Zeit sintflutartig über uns herein und sorgen dafür, daß Blondchen und Dunkelhaarige immer mehr auf der Strecke bleiben. Alleine die „Lindenstraße“ protzt momentan mit 7 (in Worten: sieben!) Rothaarigen: Iffi Zenker läßt da die biestigen Locken wallen, Dr. Eva- Maria Sperling und die frisch verwitwete Rosi Koch tragen rostroten Kurzhaarschnitt, und Amelie von der Marwitz, Anna Ziegler- Beimer, Isolde Pavarotti und Marlene Schmitt geben der roten Pest den Rest.

Nur die Männer dürfen nie rothaarig sein! Einzig Walze Zenkers frisch angetrauter Ehemann Boris Ecker trägt – wie sein berühmter Vornamensvetter aus Leimen – mutiges Fuchsrot auf dem Bauernschädel. Aber den sieht man eh nur jede zehnte Folge mal kurz Kohlrabi durchs Bild tragen. Der Verdacht wächst, daß der Landwirt für Herrn Geißendörfer nur als Quotenrotschopf herhalten soll; als Alibi-Rothaarier.

Aber wieso bloß werden rothaarige Männer in deutschen Seifenopern ständig unterdrückt? Entsprechen sie nicht dem gängigen Schönheitsideal? Sind sie etwa – analog zu den Hexenmärchen über rote Frauen – als „impulsiv“, „strohköpfig“, „unberechenbar“ oder gar tumbe Triebtäter verschrien? Haben sie nicht auch ein Recht auf „Jede Menge Leben“, „Verbotene Liebe“ oder „Gute Zeiten – Schlechte Zeiten“? Offensichtlich nicht. Wieso erkennt denn niemand die erotisierende Wirkung der flächendeckenden Sommersprossen oder gar tiefgrünen Augen, die so oft mit dem Rothaar einhergehen? Vom exotischen roten Schamhaar und romantisch rauschenden Vollbärten wollen wir gar nicht reden.

Während also die feurigen Damen allüberall nur so aus dem Fernsehgerät quellen, behandeln die Serienzuständigen rothaarige Männer, als hätten sie geschlossen den Aussatz. Einzig der „Marienhof“ hat sich herabgelassen, seiner rothaarigen Hauptpropagandistin Inge Busch noch das kupferrote Großmaul Felix Hertel beizugeben.

Vermutlich, um der Quote willen: Endlich eine Endlosserie, in der sich auch die gesellschaftlich ausgegrenzte Randgruppe der männlichen Rothaarigen vertreten sieht. Stieg nicht auch die Einschaltquote von „Verbotene Liebe“ stetig an, als mit Gero von Sterneck (Haare manchmal leicht rötlich schimmernd) endlich ein Vertreter der ewig ausgegrenzten Schwulenszene in die Serie gehievt wurde? Seitdem versammeln sich täglich um 17.55 Uhr massig Coming-out-Gruppen vor der Glotze. Vielleicht ist es ja mit den armen rothaarigen Männern genauso?

Vor meinem geistigen Auge erscheinen ganze Selbsthilfegruppen von feuerroten Herren. Die schreiben stapelweise Bettelbriefe an das irische Fernsehen und trösten sich derweil vor der Mattscheibe mit Felix Hertel, Boris Ecker (vielleicht auch einem Fernsehspiel mit Ben Becker) über ihre völlig unterrepräsentierte Serienpräsenz hinweg, während in „Jede Menge Leben“ die Endfünfzigerin Maria Kleinhammes als feuerrote Femme fatale mal wieder einen 18jährigen Bubi abschleppt. Und der ist natürlich wieder blond, braun, schwarz oder sonstwie straßenköterfarben.