Flüssige Mixtur zivilen Ungehorsams

■ Der irische Romanautor Sean McGuffin berichtet von der Schwarzbrennerei in Irland und den USA in seinem dokumentarischen Reader „Zum Lobe des Poitin“

Freunde des Hochprozentigen finden in Sean McGuffin einen schluckgewaltigen Mitstreiter. Sein Lob des Poitin – das gälische Wort für Whiskey – nimmt die Liebe zu Selbstgebranntem zum Anlaß, um über die Profitgier der staatlichen Steuerbehörde und der industriellen Spirituosenproduktion herzuziehen.

Bereits 1977 hatte McGuffin das Buch geschrieben, das nun im Hamburger Nautilus Verlag erstmals auf Deutsch erschienen ist. Kein Staat – so McGuffin – dürfte Bürgerinnen und Bürger davon abhalten, ihren eigenen Alkohol herzustellen. Auf die heilende Wirkung des illegal gebrauten Poitin – vorausgesetzt, einem wurde kein billiger Fusel angedreht – wird an mehreren Stellen im Buch insistiert. Poitin hilft gegen Kopfschmerzen, tötet Würmer und stärkt die Jugend, wie ein irischer Arzt 1760 schrieb. Noch 1865 wurde für illegal Destilliertes mehr gezahlt als für industriell produzierten „Parlamentswhiskey“.

Aber als dessen Qualität stieg und der Konsum von Porter und Bier zunahm, sank zum Ende des 19. Jahrhunderts vielerorten die Qualität des Poitin. Insbesondere die profitgierigen US-Iren scheuten sich nicht, während der Prohibitionszeit dem „Moonshine“ – wie der Getreidetrunk in den Staaten hieß – Benzin, Nikotin, Quecksilber, sogar Aldehyd beizugeben.

Auf der Insel lebt das alte Handwerk aber bis heute weiter. McGuffins Sympathien gelten den hartgesottenen Männern, die meist in abgelegenen Gebieten, in sorgfältig getarnten Brenner-Hütten, aber auch in Laboratorien und Krankenhäusern oder Schulen eine Destille errichteten, in denen „the real thing“ gebraut wurde. Heute vermeidet man gefährliche Transportwege und braut sozusagen im Kreis der Familie.

1760 wurde privates Destillieren per Gesetzesänderung auf den britischen Inseln zum kriminellen Akt erklärt, in den USA erst 1791. Die Whiskey-Rebellion von 1794 war dann für die irischen Kolonisten, deren härteste Konkurrenten schnapsbrennende Indianerstämme waren, ein „Schuß in den Ofen“, denn die Regierung setzte mehr Grenadiere, Dragoner und Fußsoldaten ein, als im Unabhängigkeitskrieg gekämpft hatten, heißt es in McGuffins Bericht.

Dieser kommt leider viel zu selten ins „flüssige“ Erzählen. Viele Daten, Zahlen und Quellen klingen wie „herausgeschrieben“, das Abspulen von Statistiken, die Aneinanderreihung von Anekdoten sowie der immer gegenwärtige Aufruf zu patriotischem Ungehorsam wechseln einander lose ab. Und so sind es nur Extrakte, nie die Mixtur des Ganzen, die den Leser gelegentlich vom Hocker reißen. Das Gefühl, dabeizusein vermitteln vor allem die „Fremdtexte“, so zum Beispiel der freimütige Bericht aus den Memoiren eines Konstablers, der die Farce, die hinter den Polizeiaktionen gegen “gastfreundliche“ Schwarzbrenner steckte, beim Namen nennt, oder die abgedruckten Lieder und Geschichten zum „Lobe des Poitin“.

Diverse Rezepturen im Text machen deutlich, daß es den Poitin nie gab. Verleitet werden soll der Leser durch das Buch nicht, bekunden Verlag und Autor kategorisch. Also bleibt alles beim alten: Der Ungehorsam im Kopf und „Johnny Walker“ in der Kehle.

Stefan Pröhl

Sean McGuffin: Zum Lobe des Poitin, Hamburg, Nautilus, 188 Seiten, 29,80 Mark

Im Herbst erscheint der neue Roman von Sean McGuffin, „Der fette Bastard“, bei Nautilus