Um den „Friseur“ wird es leise

Einer der vielseitigsten Clubs der Stadt muß nach fünf Jahren schließen. Das Gebäude in der Kronenstraße in Mitte soll entkernt werden  ■ Von Tobias Rapp

Die Gegend zwischen Leipziger und Wilhelmstraße macht nachts nicht den gastlichsten Eindruck. Außer leerstehenden Bürohäusern, hellerleuchteten Baustellen und Wachschutzpatrouillen scheint es hier nicht viel zu geben. Aber der Eindruck trog. Genau hier, einen bloßen Steinwurf von den Großbaustellen an der Friedrichstraße und dem Potsdamer Platz entfernt, befindet sich der „Friseur“. Ein kleiner, unkommerzieller Club in der Kronenstraße, der nicht nur zum Tanzen einlud, sondern auch mit Konzerten und Lesungen lockte.

Damit ist es nun vorbei: Zum Wochenende werden im „Friseur“ die Plattenteller angehalten und die Diaprojektoren ausgestellt. Nach der Schließung des benachbarten „Elektro“ vor einem Jahr bleiben in der Gegend um den U-Bahnhof Stadtmitte dann nur noch das E-Werk und der Tresor.

Von Melancholie ist Samstag nacht jedoch keine Spur. „Na ja, ich werde halt mein Wohnzimmer verlieren“, scherzt Christian, der es sich in einem der alten Frisierstühle gemütlich gemacht hat. Daß sich ein Laden wie der „Friseur“, eine Mixtur aus Disco, Kulturzentrum und Privatwohnung in dieser Gegend habe so lange halten können, sei schon „eine Menge wert“.

Der „Friseur“ war nie einfach nur ein Club. Seine Geschichte begann im Juli 1991. Die „Botschaft“, ein Zusammenschluß von Multimediakünstlern, schloß einen Fünfjahresvertrag für die Räumlichkeiten in der Kronenstraße 3 ab. Für die Ladenwohnung im Erdgeschoß, einen alten Friseursalon, begann eine Nutzung als Ausstellungsraum mit Bar. Zwei Jahre lang veranstalteten die Botschafter Ausstellungen und zeigten Installationen. Dann wurde das Konzept geändert. Von nun an fanden regelmäßig Konzerte im „Friseur“ statt.

1993 bekam der „Friseur“ dann das Profil, das er bis heute behalten sollte. Die Verantwortung für die einzelnen Abende wurde verschiedenen Gruppen übertragen, die dann einmal in der Woche ihre Definition vom hippen Nachtleben durchspielten. Das Publikum sei immer eine lustige Mischung gewesen, sagt Christian. Die verschiedenen Bohemien-Spielarten hätten sich wahrscheinlich eingefunden, weil so viele verschiedene Gruppen Veranstaltungen organisiert haben.

Nun sind die fünf Jahre abgelaufen und eine Verlängerung des Mietvertrages gibt es nicht. Nachdem im gleichen Block bereits die Mauerstraße 15 abgerissen wurde, soll nun die Kronenstraße 3 entkernt werden. Regenwasser, das durch die Löcher im Dach ins Gebäude gelaufen ist, hat die oberen Stockwerke des Hauses schon ruiniert, und wegen Baufälligkeit ist das Gebäude ab dem ersten Stock gesperrt.

Eine Weiterführung des „Friseur“ in anderen Räumen wird es nicht geben. Für Walter, einen weiteren Stammgast, ist dies auch schwer denkbar. „Der besondere Reiz des Friseur war doch, daß so viele verschiedene Gruppen im Laufe der Zeit angedockt haben.“ Atmosphäre sei nicht übertragbar, sagt er, ein anderer fügt hinzu: „Alle anderen Clubs sind Läden, der Friseur ist eine Utopie.“

In der letzten Woche geben dem „Friseur“ einige Gruppen eine Art Abschiedsprogramm: heute wird sich die „Botschaft“ mit einer Installation verabschieden. Mittwoch werden Jochen Enterprises Kurzfilme zeigen, Donnerstag werden im Rahmen der Kinski Bar Stereo Total auftreten, Freitag wird Jim Boom seinen neuesten CD-Release vorstellen, und am Samstag wird es zum Abschluß ein letztes Mal die „Spank“-Party geben, mit Housemusik und Drum 'n' Bass.