Die Regierungskoalition in Tschechien sitzt noch nicht fest im Sattel

■ Premier Vaclav Klaus stellt heute die Vertrauensfrage. Er könnte dabei über die Sozialdemokraten stolpern

Prag (taz) – Heute wird möglicherweise in Tschechien eine wichtige Entscheidung über die weitere politische Entwicklung des Landes fallen: Die vor gut drei Wochen von Staatspräsident Vaclav Havel ernannte Regierung unter Vaclav Klaus legt im Prager Parlament ihr Regierungsprogramm zur Abstimmung vor und stellt die Vertrauensfrage.

Noch bis vor kurzem galt die Abstimmung als reine Formsache. Doch mittlerweile scheint die Bestätigung des neuen Kabinetts nicht mehr so sicher. Der Grund: In den Reihen der Sozialdemokraten mehren sich die Anzeichen dafür, daß die größte Oppositionspartei die neue Regierung doch nicht tolerieren will.

Die Sozialdemokraten sind das Zünglein an der Waage, seit die konservative Regierung unter Premierminister Vaclav Klaus bei den Parlamentswahlen Anfang Juni knapp die Mehrheit verfehlt hatte. Die Koalition aus der demokratischen Bürgerpartei (ODS) von Premierminister Vaclav Klaus, der demokratischen Bürgerallianz (ODA) und der christdemokratischen Volkspartei (KDU-CSL) verfügt im Parlament nur noch über 99 der 200 Stimmen.

Zwar war von Anfang an klar, daß die Sozialdemokraten der Regierung nicht das Vertrauen aussprechen würden. Denn im neuen Kabinett sind mit Jan Ruml (Inneres) und Jindrich Vodicka (Arbeit und Soziales) immer noch zwei Minister der ODS vertreten, deren Abberufung die Sozialdemokraten gefordert hatten. Sie werfen den beiden Ministern Inkompetenz in ihren Arbeitsgebieten vor. Trotzdem war allgemein erwartet worden, daß die sozialdemokratischen Abgeordneten bei der entscheidenden Abstimmung den Plenarsaal verlassen oder sich der Stimme enthalten würden.

Inzwischen gibt es aber mehr und mehr Hinweise darauf, daß die Sozialdemokraten der Regierung ihr Mißtrauen aussprechen könnten. Beonders einige Punkte des Regierungsprogramms, wie die Einführung von Studiengebühren und die Selbstbeteiligung von Patienten an den Kosten für Behandlungen und Medikamente, stoßen bei den Linken auf Kritik. Das seien Punkte, die die Partei auf keinen Fall mittragen könne, ließen einige Abgeordnete unmißverständlich verlauten.

In der vergangenene Woche billigte die Regierung Klaus zudem noch einen Beschluß, der die Sozialdemokraten auf die Barrikaden brachte: die Rückgabe von 175.000 Hektar Wald an die katholische Kirche. Der Besitz war 1948 nach der Machtergreifung der Kommunisten enteignet worden. Sollte das Kabinett weiter daran festhalten, daß die Besitzungen per Regierungsbeschluß und ohne Beteiligung des Parlaments den Eigentümer wechseln, wäre dies Grund genug für die Sozialdemokraten, das Kabinett Klaus nicht zu tolerieren, erklärte ihr Vorsitzender Milos Zeman am vergangenen Freitag.

Die Reaktion der Regierungsparteien auf die Ankündigung Zemans ließ nicht lange auf sich warten: Sie drohten damit, Zeman von seinem Amt als Parlamentspräsident abzuberufen, sollte seine Partei gegen das Kabinett stimmen. Doch trotz des rauhen Tons der vergangenen Tage ist an der Moldau bisher noch keine Panik ausgebrochen. Die Regierung Klaus gibt sich selbstsicher. Sie geht davon aus, daß sie heute die 101 nötigen Stimmen im Parlament erhalten wird. Zur Not würde sich Klaus auch durch zwei Überläufer aus den Reihen der rechtsextremen Republikaner unterstützen lassen, heißt es in Politikerkreisen. Diese haben zwar ebenso wie die Kommunisten erklärt, daß sie gegen Klaus stimmen werden. Doch die schlechte Fraktionsdisziplin bei den Republikanern ist allgemein bekannt.

Sollte die Regierung Klaus heute tatsächlich durchfallen, wird in Prag ein neues Verhandlungsmarathon beginnen. Dieser dürfte zwar wieder mit der Ernennung einer konservativen Regierung enden, allerdings ohne den Pragmatiker Vaclav Klaus an der Spitze. Katrin Bock