Spaziergänge statt Strategien

■ Sommerakademie: Referent Stabenow wollte über die mögliche Wiederbelebung antiurbaner Plätze sprechen

Wie bekommt ein Platz Flair? Wie ist eine städtische Freifläche zu planen, damit die Anwohner sie annehmen, auf ihnen Sommerfeste feiern? Kurz: Wann werden Plätze zu Kreuzungspunkten der Lebensadern einer Stadt? Wichtige Fragen, die Wolfgang Teichert von der Evangelischen Akademie am Montag abend im Rahmen der 15. Sommerakademie Spielräume – Stadtansichten – Lebensräume in den Raum stellte. Leider war da der Vortrag von Prof. Dr. Wolfgang Stabenow schon vorbei. Schade, denn unter der Überschrift Hamburg und seine verlorenen Plätze – Gedanken zur Wiederbelebung hätte Stabenow sich derlei Fragen eigentlich annehmen sollen.

Der Hamburger Architekt sei jemand, so Teichert, der ihn zu dieser Vortragsreihe geholt hatte, der über seinen „Tellerrand“ hinaus gucke. Was er da erblickte, präsentierte der Plätzefan Stabenow auf 50 Selfmade-Dias nach dem Vorher-Nachher-Prinzip.

Beispiel nördlicher Bahnhofsvorplatz: graue Poller, graues Pflaster, grauer Himmel, am Horizont die Kunsthalle. Da ist jedes Farbdia machtlos. Eine einzige zündende Idee, wie diese riesige Fläche inmitten der Stadt, die entstand, als der Glockengießerwall verengt wurde, nicht bloß taxi-, sondern auch menschenfreundlich gestaltet werden könnte? Fehlanzeige! Antwort Stabenows: „Das bedarf der Gestaltung.“

Eine weitere Station auf seinem „kritischen Spaziergang“: der Eppendorfer Marktplatz. „Das Dasein in der Stadt“, weiß er, „ist ein steter Kampf zwischen Fußgänger und Auto.“ Der Sieger in der Schlacht am Eppendorfer Marktplatz steht fest: „Verkehr, Verkehr, Asphalt, versiegelt!“ Doch: Ein Silberstreif. Es bestehe Hoffnung, „aus dem Marktplatz wieder einen Marktplatz zu machen“, sagt der Architekt und wirft Entwürfe „einer Studentin“ an die Wand. Sie zeigen Straßenbahnen, die durch's Grüne fahren, wenige Straßen und viele Bäume. Grundlegende Gedanken, mit welchen städtebaulichen Strategien solche Asphaltwüsten zu wirklichen Plätzen werden können, hatte Stabenow nicht.

Statt dessen inszeniert er den Blick zurück auf den Rathausmarkt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Wie ein „Traum“ sei es gewesen, als Politiker und Planer nach dem großen Brand von 1842 innerhalb von nur sechs Monaten eine „Vision entwickelt“ hätten: der Rathausplatz als Markusplatz von Hamburg. Wie sich das Herz von Venedig zum Canale Grande öffnet, so seien auch Alsterarkaden und Rathausmarkt der Alster zugewandt.

Eine Ausnahmeerscheinung. 150 Plätze zählt Prof. Dr. Stabenow in Hamburg, und „kaum einer verdient den Namen“. Mit Einsichten wie der, daß es zwischen neuem Kunsthaus und alter Kunsthalle „zugig“ sei, man sich dort somit „nicht gerne aufhalten“ werde, wird er an diesem Zustand allerdings sobald nichts ändern.

Philip Banse