SPD nicht länger in Sack und Asche

■ Das Wahldebakel in Baden-Württemberg ist aufgearbeitet. Beschlossen wurde: Niemand ist schuld

Stuttgart (taz) – 120 Tage leckten sie ihre Wunden, jetzt fühlen sich die baden-württembergischen Sozialdemokraten wieder stark. Die erbärmlichen 25,1 Prozent bei der Landtagswahl im vergangenen März zwangen die SPD zu einer „Denkpause“, deren Ergebnisse gestern der Landes- und Fraktionsvorsitzende Ulrich Maurer bekannt gab: Schuld an dem Wahldebakel habe niemand persönlich. Der Name des gescheiterten Spitzenkandidaten Dieter Spöri wurde nur am Rande erwähnt.

Die 14köpfige Arbeitsgruppe zur Wahlauswertung verlangt von der eigenen Partei eine „neue Radikalität“, um das verwaschene Gesicht der SPD wieder von dem anderer Parteien unterscheidbar zu machen. „Statt Minimalreformen muß die SPD umfassend angelegte Gestaltungsentwürfe entwickeln“, fordern die Südwest-Genossen unter Ulrich Maurer, der trotz massiver Kritik nach der Wahl sein Amt als Landesund Fraktionsvorsitzender halten konnte.

Ohne jedoch Spöri direkt zu nennen, gibt die Auswertungskommission ihm indirekt die Hauptschuld am schlechten Abschneiden bei der Wahl vom 25. März. Dieter Spöri habe den Wahlkampf zu sehr auf seine Person und zuwenig auf die Inhalte der SPD abgestimmt.

Hermann Scheer, Bundestagsabgeordneter und mit Maurer zusammen Vorsitzender der Arbeitsgruppe, will in Zukunft seiner Partei ein klareres ökologisches Profil verpassen. „Da halten uns vor allem Frauen und Jungwähler für inkompetent.“

Ihre umfangreiche Verliereranalyse stützt die SPD nicht zuletzt auf die massive Kritik aus den eigenen Reihen. Viele Ortsvereine beispielsweise hatten sich schon während des Wahlkampfes geweigert, die „dilettantischen“ Plakate zu kleben oder Wahlaussagen von Spöri, er „schaffe Arbeitsplätze“, zu unterstützen. Als wenig hilfreich wurde von der SPD auch die Kampagne ihres Spitzenkandidaten gegen die Spätaussiedler und gegen die Euro-Währung angesehen. Insgesamt gesehen gleicht die selbstkritische Studie einem Scherbengericht: Die SPD in Baden- Württemberg und im Bund, so meinen die eigenen Mitglieder, sei „strukturkonservativ“, es mangele ihr an „innerparteilicher Demokratie“, und sie habe versagt, den Wählern „ihr politisches Anliegen zu vermitteln“. Zudem habe die frühe Festlegung auf ein rot-grünes Koalitionsbündnis Wähler aus dem Lager der Mitte „abgeschreckt“.

Die SPD in Baden-Württemberg hat darum auf ihrer letzten Landesvorstandssitzung beschlossen, daß dies nun alles anders werden muß. Mit dem Ziel, „das Vertrauen der Menschen in unsere Politik wiederzugewinnen“, eröffnete Maurer gestern den Landtagswahlkampf 2001. Dann wird wieder gewählt, und bis dahin, so Maurer, „diskutieren wir nach vorn“. Auf einem Landesparteitag im September sollen die Mitglieder das neue Handlungskonzept beraten. Philipp Maußhardt