Zweiter Toter beim Hungerstreik in der Türkei

■ Regierung will weiter Haftbedingungen für politische Gefangenen nicht entschärfen

Istanbul/Bremen (taz/AFP) – Wieder ist in der Türkei ein politischer Gefangener gestorben: Altan Berdan Kerimgiller verstarb gestern im Gefängnis Bayrampasa in Istanbul an den Folgen des 66tägigen Hungerstreiks. Der 28jährige, der der Mitgliedschaft in der illegalen linksradikalen Organisation Dev-Sol (Revolutionäre Linke) angeklagt war, saß seit September 1992 in Untersuchungshaft. Sein Leichnam wurde der Gerichtsmedizin überführt.

Die Rechtsanwälte, die nach Kerimgillers Tod das Gefängnis besuchten, zitieren in ihrer Erklärung ein Manifest der Hungerstreikenden. „Justizminister Sevket Kazan ist der Henker dieser Regierung“, heißt es darin. Über 200 Gefangene verweigern die Nahrung. Dutzende schweben in akuter Lebensgefahr. Viele spucken Blut, haben das Wahrnehmungsvermögen verloren oder sind gelähmt. Selbst bei Abbruch des Hungerstreiks ist nach Ansicht der Ärzte für viele die Möglichkeit der Genesung ausgeschlossen. Die Regierung bleibt kompromißlos. Justizminister Sevket Kazan weigert sich kategorisch, die Verschlechterung der Haftbedingungen, die durch ministeriellen Erlaß verfügt wurden, zurückzunehmen. Vor dem Parlament rechtfertigte er sich gestern. Die Gefangenen verfügten über „Mobiltelefone“ und „Fax“, so Kazan.

In Deutschland gehen unterdessen die Brandanschläge auf türkische Einrichtungen weiter: In der Nacht zu gestern schleuderten Unbekannte innerhalb einer Stunde Brandsätze auf türkische Vereinsheime und Moscheen in Bremen, Köln, Dortmund und Oberhausen. Bei dem Anschlag in Bremen erlitt ein 33jähriger Mann leichte Rauchvergiftungen. In Köln nahm die Polizei fünf tatverdächtige Türken fest. Nach ersten Erkenntnissen des Staatsschutzes könnten die Anschläge auf das Konto linksgerichteter türkischer Gruppen gehen, die sich mit den Hungerstreikenden solidarisieren wollen. öe