: Nie mehr Schafshirnsülze an Ziegenmilz
■ Der Alptraum eines jeden Gourmets wird wahr: Nach neuesten Erkenntnissen könnte der BSE-Erreger auf Schafe und Ziegen übertragbar sein. London verbietet Verzehr von Innereien. Auch EU-Kommissar erwägt Konsequenzen
Dublin/Brüssel (taz) – Das nächste Tier steht auf dem Index: Mit sofortiger Wirkung will die britische Regierung heute diverse Schaf- und Ziegenprodukte aus der menschlichen Nahrungskette verbannen. Das kündigte Landwirtschaftsminister Douglas Hogg gestern an. Vor allem Hirn, Rückenmark, Nervengewebe und die Milz von Schafen sollen künftig nicht mehr verzehrt werden. Grund: die mutmaßliche Übertragbarkeit des Erregers von Rinderwahnsinn (BSE) auch auf Schafe. Auch EU-Agrarkommissar Franz Fischler will vorsichtshalber einige der Maßnahmen gegen die Rinderseuche BSE auf Schafe ausweiten.
Hogg wie Fischler reagierten damit auf einen wissenschaftlichen Bericht, nach dem bei Schafen, an die in einem Experiment BSE-verseuchtes Rindfleisch verfüttert worden war, die Rinderkrankheit BSE festgestellt wurde. Es könne nicht mehr ausgeschlossen werden, sagte Fischler in Brüssel vor 15 gequält dreinschauenden EU-Landwirtschaftsministern, daß Schafe, bei denen bislang die Hirnkrankheit Scrapie (Traberkrankheit) diagnostiziert wurde, in Wirklichkeit an BSE erkrankt seien. Scrapie ist für Menschen ungefährlich, BSE steht im Verdacht, die Creutzfeld-Jakob-Krankheit auszulösen.
In dem Experiment haben Wissenschaftler Schafen BSE-verseuchtes Material injiziert. Die Schafe erkrankten daraufhin nicht an dem seit 20 Jahren grassierenden Scrapie, sondern an der „bovinen spongiformen Enzephalopathie“ (BSE): Da Symptome und Verlauf bei beiden Krankheiten sehr ähnlich sind, kann man sie schwer unterscheiden. Bisher waren Wissenschaftler davon ausgegangen, daß BSE auf Rinder durch Tierkörpermehl übertragen wurde, das Scrapie-infizierte Schafabfälle enthielt. Die französischen Experimente deuten nun auf den umgekehrten Weg hin: Schafe könnten sich durch BSE-verseuchtes Fleischmehl angesteckt haben.
Zwar gebe es noch keinen Beweis dafür, daß tatsächlich BSE-infizierte Schafe herumlaufen, sagte ein Sprecher der EU- Kommission, „aber diesmal wollen wir auf der sicheren Seite sein“. Der wissenschaftliche Veterinärausschuß soll in den nächsten Tagen geeignete Maßnahmen vorschlagen. Es wird erwogen, daß BSE-anfälliges Gewebe wie Rückenmark, Gehirn und Milz von geschlachteten Schafen und Ziegen sofort vernichtet werden muß.
Die Landwirtschaftsminister, die in Brüssel gerade um Milliarden feilschen, mit denen der Rindfleischmarkt wieder angekurbelt werden soll, fürchten, daß nun auch der Absatz von Schaffleisch einbrechen könnte. Hogg beschwichtigte gestern, die Maßnahmen sollten lediglich ein „theoretisches Risiko“ ausschalten, und fügte hinzu: „Lammfleisch kann man bedenkenlos essen.“ Wenn sich die Menschen vernünftig verhielten, werde es auch keine Vertrauenskrise geben, sagte der Minister. Auch Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert (CDU) wies darauf hin, daß es die Übertragung von BSE auf Schafe bisher nur im Experiment gebe. Ralf Sotscheck/Alois Berger
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