Octopus vulgaris Von Karl Wegmann

In diesem Jahr wollten wir hart bleiben. In jedem Urlaub hatten Konscho und ich gekämpft und immer verloren. Doch diesmal sollten die Frauen nicht gewinnen. Diesmal würden wir uns endlich eine Harpune kaufen und zwar eine große, mit Dreizack vorne dran.

Kaum auf Thassos angekommen, ging das Theater wieder los. Wir hatten uns gerade ein wunderschönes Exemplar (mit Dreizack und allem) ausgeguckt, als Konschos Frau Moni den Kampf aufnahm: „Mit dem Ding steigt ihr nicht ins Wasser, da ist ja kein Mensch seines Lebens mehr sicher!“ Regina schlug natürlich in die gleiche Kerbe: „Mordinstrument, und was das kostet! Das sind ja über hundert Mark, da kann man aber 'ne Menge Fisch für kaufen.“ Dann bekamen wir Schützenhilfe: „Ich finde die Harpune geil“, meinte Philip, Konschos Zehnjähriger, und seine kleine Schwester Helena fragte: „Darf ich da auch mal mit schießen?“

„Auf keinen Fall“, Moni wurde wild, „ich kenn' doch die beiden, wenn die mit dem Ding da rumpaddeln, ballern sie doch auf alles, was nicht schnell genug aus dem Wasser kommt. Außerdem sind die doch blind wie tote Eulen, das wird ein Massaker!“ Und sie erzählte den Kids etwas von gräßlichen Fleischwunden und wie es wäre, aufgespießt auf dem Meeresgrund als Krebsfutter zu enden. Das war's. Zwei gegen Vier, die Harpune konnten wir vergessen. Also aßen wir weiter unseren gegrillten Octopus bei Costas im Restaurant. Aber dann passierte es doch...

Ich schnorchele im klaren Wasser der Bucht von Skala Panagias herum, und plötzlich seh' ich IHN: Octopus vulgaris, der gemeine Krake! Ein junges Tier, nicht besonders groß. Ich geh' runter und will ihn greifen, er kapiert und haut ab, ich hinterher, und zack, hab' ich ihn. Er schlingt seine acht Fangarme fest um meinen Arm, trotzdem schaffe ich es, an Land zu schwimmen. Selbstverständlich bin ich stolz wie Oskar, Konscho füllt Helenas Eimerchen mit Wasser und ich stecke den Fisch rein. Das wird ein Fest, selbstgefangener Octopus, gegrillt, mit Ouzo. Doch da gibt es noch ein Problem. „Du bist Grieche“, sage ich zu meinem Freund, „du kennst dich da besser aus, du mußt ihn killen!“ „Moment, Moment, ich weiß, daß man einen Octopus ungefähr 127mal auf einen Felsen schlagen muß, um das Fleisch schön zart zu machen“, behauptet Konscho, „aber vorher muß man ihn umbringen, wie, weiß ich auch nicht.“ Scheiße, jetzt 'ne Harpune.

Wir diskutieren noch die verschiedenen Tötungsarten (erstechen, erschlagen, erwürgen), als die Frauen mit den Kids auftauchen. „Oh, ist der niedlich“, Regina ist ganz aus dem Häuschen. „Können wir den behalten?“ fragt Helena, „Was frißt der denn?“ „Das ist ein Raubtier“, erwidere ich barsch, „der überfällt andere Meeresbewohner, packt sie mit seinen Fangarmen und zermalmt sie.“ „Der doch nicht“, Moni winkt ab, „der ist doch noch viel zu jung.“ Und dann beschließen sie, daß mein Octopus wieder freigelassen wird, weil er ja soo süß ist.

In der darauffolgenden Nacht vernichten Konscho und ich eine ganze Flasche Ouzo und beschließen, im nächsten Jahr ohne Frauen und Kinder in Urlaub zu fahren. „Elche abknallen in Kanada“, meint er, „irgend etwas in der Art, was echt Männliches eben.“