Gewalt am Plauer See

■ betr.: „Drei rechte Freizeitschläger sitzen im Knast“, etc., taz vom 16. 7. 96 ff

[...] 1. Ich frage mich, was in den Köpfen der Repräsentanten öffentlicher und staatlicher Institutionen und den sie oft nachbetenden Machern der (ver)öffentlich(t)en Meinung vorgeht. Es ist schon eine gefährlich beschränkte Welt, aus der heraus gestritten wird, ob es sich nun um einen „rechtsradikalen“ oder überhaupt um einen „politischen Hintergrund“ bei den Tätern handelt. Wen schert das eigentlich sonderlich – außer die amtlichen Herren mit einer vermeintlichen Definitionsherrschaft über die Wirklichkeit im Rücken, die sie dann auch noch zu bedrucktem Papier in den Verfassungsschutzberichten und sonstigen Verlautbarungsdokumenten werden lassen?

Vor lauter Sortieren nach links oder rechts, politisch oder unpolitisch merken diese Herren gar nicht mehr, daß sie sich damit in einem Reservat bewegen, das längst die Züge jener viel zitierten virtuellen – und dazu noch gut dotierten – Wirklichkeit trägt. Als ob dieses Herunterrechnen der Gewalt diese sanfter, erträglicher und – worum es ihnen natürlich vor allem geht – beherrschbarer macht!

2. Wer so denkt, hat versäumt, zur Kenntnis zu nehmen, daß politische Akteure und Aktionen keine Erbhöfe sind, erst recht keine juristisch bestimmbaren: sie sind auch nicht mehr das, was sie einst waren. Hat nicht zur Kenntnis genommen, daß solche Grenzen zwischen dem Raum der Politik und dem ... – ja was denn eigentlich: der Freizeit und des Urlaubs, der Jugend, der Geographie, des verregneten Sommers, der günstigen Gelegenheit gar oder des ganzen Rests der Wirklichkeit der Republik? – längst nicht mehr auszumachen sind. Hat nicht begriffen, daß Gefahren für Gesellschaft und Politik unter bestimmten Bedingungen des organisierten und vorangekündigten Aufmarsches entraten können, weil sie zum „verläßlichen“ Bestandteil der Verhältnisse geworden sind – jedenfalls für diese Lehre sollte der Untergang des realexistierenden Sozialismus gut sein. Es wäre ja noch schöner, wenn das Ende sozialer und politischer Explosionen sich als Bestandsgarantie von Gesellschaft und Geschichte lesen ließe!

3. Und noch eine historische Parallele zu Plau und dem, wofür es steht: veränderte Nutzung und Rente von Land und Territorium forderten in der Geschichte schon immer ihren Blutzoll. Als im England des 18. Jahrhunderts Schafweiden und Gemeindewälder zu Parklandschaften der Bourgeoisie wurden, bedurfte es der berüchtigten „Black Act“, einer Blutgesetzgebung, um den Widerstand des Volkes zu brechen. Wer damals gewonnen hat, hat die Geschichte gelehrt – wie es ohne eine „Black Act“ heute zu erledigen ist, muß sich noch zeigen. Der Verfassungsschutz wird es bestimmt nicht richten – ich vermute, er weiß es auch, traut's sich nur nicht zu sagen. Fritz Sack, Uni Hamburg,

Institut für Kriminologie