„Nicht so wie früher“

■ Der neue Manager des FC St. Pauli, Helmut Schulte, über Kompromisse, Klassenerhalt und Katastrophen

Die Hoffnung hat einen Namen: Helmut Schulte. Mit dem 38jährigen als Nachfolger von Manager Jürgen Wähling soll beim FC St. Pauli vieles besser werden. „Der Verein ist der Star“, hat der Lange als Motto ausgegeben, der von 1984 bis 1991 am Millerntor Trainer gewesen war – und auch milieukompatibler Volksheld, der Bananen ins Publikum pfefferte. Nach den Trainerstationen Dresden und Schalke und einem Manager-Jahr in Lübeck ist der ehemalige SAT 1-Mitarbeiter zu seinem „Lieblingsverein“ zurückgekehrt. Die taz sprach mit Schulte, der seit einer Woche wieder auf St. Pauli ist.  

taz: Sie wurden ja überaus freudig empfangen, fast euphorisch. Hatten Sie damit gerechnet?

Helmut Schulte: Es ist schön, wenn sich der Großteil der Leute über meine Rückkehr freut. Das ist ein gutes Fundament, auf das sich aufbauen läßt. Ich weiß aber auch, daß es ein schwerer Job wird. Wie sagt unser Trainer, Uli Maslo, doch so schön: „In diesem Geschäft mußt du die Hosen runterlassen.“ Dennoch wüßte ich nicht, was ich lieber täte, als Manager beim FC St. Pauli zu sein.

Warum die Ausgelassenheit?

Weil sich viele an schöne Zeiten erinnern, wenn sie meine Nase sehen. Damals hat es viel Spaß gemacht, und es war auch sportlich eine erfolgreiche Zeit.

Die Gegenwart ist grauer, wie rosig wird die Zukunft?

Wenn die Fans denken, daß es genauso wird wie früher, dann müssen die zwangsläufig enttäuscht werden. Das bringt schon meine Position mit sich: Ich stehe in der zweiten Reihe und versuche Ordnung reinzubringen. Spieler und Trainer werden gefeiert, beim Manager ist diese Emotionalität nicht drin.

Gefühle sind in Ihrem Job auch nicht gefragt. Wie wollen Sie den Verein vor dem Abstieg retten?

Vom Abstieg rede ich nicht. Wir schaffen den Klassenerhalt.

Mit welcher Mannschaft? Sie haben kaum ein Dutzend erstligatauglicher Kicker.

Kappes. Wir haben 24 Spieler unter Vertrag. Dennoch muß ich den ganzen Tag Rede und Antwort stehen, wann ein neuer Spieler geholt wird. Das ist doch Schwachsinn. Die Mannschaft war auch letzte Saison der Abstiegskandidat Nummer eins und hat erfolgreich gespielt, weil sie sich immer als Team präsentiert hat – das alte Millerntor-Motto: „Alle für einen, einer für alle.“

Dennoch: Welchen weiteren Spieler holen Sie als Verstärkung?

Eigentlich ist es zu spät, der Markt ist total abgegrast. Es war ein Problem, daß St. Pauli in der Transferperiode keinen hauptamtlichen Manager hatte.

Den hatte Uli Maslo vergrault, Jürgen Wähling wurde entlassen. Warum sollte bei Ihnen kein Streit um Kompetenzen entstehen?

Weil ich mit dem Trainer loyal zusammenarbeiten werde. Wir sind leitende Angestellte, die zum Wohle des Vereins tätig sein sollen. Mit Uli Maslo wird es keine Probleme geben, wir haben die gleichen Vorstellungen vom Fußball.

Herr Maslo wirkt oft schulmeisterlich, fast autoritär. Viele Fans sehen in Ihnen eher den lockeren Typ, der einen Gegenpol zum strengen Uli bilden soll. Wie kann das funktionieren?

Ich finde es gut, daß Uli Maslo autoritär ist. Ein Trainer muß so sein und die Dinge durchsetzen, die er für die Mannschaft für richtig hält – ohne Rücksicht auf Verluste. Wenn man dort zu zaudern anfängt, liegt man falsch. Es ist besser, eine Entscheidung in diesem Bereich zu fällen, als sie pausenlos zu verschieben, selbst wenn sie falsch ist. Eine Hängepartie ist für alle tödlich.

Der Umzug ins Volksparkstadion war so eine. Wie finden Sie es, daß kommende Serie vier Spiele beim HSV ausgetragen werden?

Die Einführung der gesplitteten Dauerkarte (es gibt eine, die nur für die 13 Heimspiele am Millerntor gilt und eine für alle 17; die Red.) war eine organisatorisch und betriebswirtschaftlich katastrophale Entscheidung. Dieser Fehler läßt sich aber nicht mehr rückgängig machen. Die Karte spaltet die Fans zudem in zwei Lager: Das eine sind die St.-Pauli-Fans, das andere die Millerntor-Fans.

Welche sind Ihnen lieber?

Man kann es nicht allen recht machen, sonst verzettelt man sich. Weil ich viel Verständnis für die spezielle Situation am Millerntor habe, bin ich aber eher in der Lage, die richtige Entscheidung zu treffen als jemand, der meint, Profifußball hier knallhart betriebswirtschaftlich durchführen zu können.

Was ist am Umzug nicht knallhart ökonomisch begründet?

Am Millerntor findet eines der ursprünglichsten Fußball-Erlebnisse statt. Man muß alles tun, das zu erhalten. Der überwiegenden Mehrheit der Zuschauer ist es auch nicht egal, ob man gegen Meppen oder Unterhaching spielt, die wollen Dortmund und Bayern sehen.

Es gibt aber auch einige, denen der Spaß wichtiger ist als die sportliche Qualität. Wie wollen Sie mit solchen Positionen umgehen?

Mit jemandem, der gerne absteigen will, kann man nicht diskutieren. Es kann nicht sein, daß sich das Präsidium für die getroffene Entscheidung rechtfertigen soll. Man muß sich schon auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen und alles versuchen, in der ersten Liga mitzuspielen. Demokratie heißt auch, verlieren zu können und trotzdem zu einer Sache zu stehen. Man kann nicht immer den eigenen Kopf durchsetzen.

Das klingt staatstragend. Sind Sie zu einem langweiligen Pragmatiker geworden, der sich bloß gut verkaufen kann?

Ich bin nicht mehr der unverbrauchte Springinsfeld von damals. In diesem Geschäft habe ich alles an persönlichen und beruflichen Enttäuschungen erlebt. Da wäre Unvoreingenommenheit selbstmörderisch. Fragen: raser/cleg