Bremer TürkInnen leben mit der Angst vor Anschlägen

■ Eine Umfrage zur Anschlagserie: Viele halten sich aus der Politik raus, einige kritisieren die Türkei, aber „ich habe auch Angst vor den Deutschen

Viele InhaberInnen türkischer Läden, Restaurants und Reisebüros in Bremen reagieren gelassen auf die jüngste Anschlagserie in der Bundesrepublik. Häufig ist die Situation in der Türkei bestimmendes Thema, an die Gewalt in Deutschland haben sich viele schon gewöhnt. Immer wieder verwüsten Brände türkische Einrichtungen oder Geschäfte. Erst in der Nacht von Montag auf Dienstag brannte in Walle das Vereinsheim der „Türkischen Familienunion“ aus. Und in der Nacht zum Mittwoch brannte im Schwäbischen ein Möbellager.

„Soll ich Tag und Nacht draußen Wache stehen?“, fragt der Besitzer einer Imbiss-Stube im Viertel. „Wenn hier was passiert, habe ich Pech gehabt. Man kann nichts dagegen machen.“ Die Inhaberin eines Hastedter Gemüseladens sieht das ähnlich: „Wir müssen eigentlich immer Sorge haben, aber wir müssen damit leben.“ Sie wohnt mit ihrem Mann direkt über dem kleinen Geschäft. Wenn es nachts brennen würde, wäre nicht nur der Laden, sondern auch ihr Leben gefährdet. „Aber wir haben mit der Politik in der Türkei nichts zu tun. Wir halten uns da raus.“

Viele andere jedoch nicht. In einer Kebab-Bude entwickelt sich gleich eine laute Diskussion. „Die türkische Regierung ist Schuld. Wir haben keine Demokratie. In der Türkei regiert das Militär“, erklärt der Mann hinter dem Tresen. Bei seinen Gästen findet er damit breite Zustimmung. Zu den Anschlägen in Deutschland herrscht dagegen geteilte Meinung. Während der Wirt die Anschläge für berechtigt hält, weil sie nur gegen staatliche Einrichtungen oder „türkische Rechte“ verübt würden, widerspricht ihm einer seiner Gäste: „Wir wollen keine Gewalt. Aber der türkische Staat foltert die politischen Gefangenen. Das ist Gewalt!“

In anderen Geschäften sind die Reaktionen vollkommen gegensätzlich. Von „Terroristen“ ist da die Rede, die in der Türkei und in Deutschland gleichermaßen Ärger machten. „Die deutsche Polizei muß mein Geschäft schützen!“ fordert ein Einzelhändler. „Ich bezahle meine Steuern wie deutsche Leute auch.“ Aber Angst habe er im Grunde nicht. Auch die Mitarbeiterin eines türkischen Reisebüros macht sich keine großen Sorgen. „Bei uns ist das kein Thema. Auch unsere Kunden haben keine Angst, in die Türkei zu fahren. Wir haben uns daran gewöhnt.“

Wie auch die deutschen Behörden und Medien gehen viele türkische BremerInnen davon aus, daß die Anschläge eine Folge der innenpolitischen Auseinandersetzungen in der Türkei seien. Der Hungerstreik von politischen Gefangenen, der Krieg in Kurdistan und der Wahlsieg der Islamisten sorgen auch im Exil für Auseinandersetzungen zwischen RegierungsanhängerInnen und Oppositionellen.

Doch es gibt auch Stimmen, die die Ermittlungen der Polizei für zu einseitig halten. „Vor ein paar Jahren war bei einem Anschlag klar: Das waren deutsche Nazis. Letztes Jahr soll es immer die PKK gewesen sein. Und jetzt sagen alle, das wären die türkischen Linken gewesen. Woher weiß die Polizei das immer?“ fragt die Angestellte eines türkischen Lebensmittelgeschäfts, „ich habe auch Angst vor den Deutschen.“ sg