„Wir sollten die finanzielle Hilfe sperren“

■ Der Europaabgeordnete Jannis Sakellariou (SPD) fordert Sanktionen gegen die Türkei

taz: Nach dem Hungertod von sechs Häftlingen in den türkischen Gefängnissen wird der Ruf nach einer politischen Initiative lauter. Die Türkei ist ja auch Mitglied im Europarat und hat sich zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet. Welche Möglichkeiten hat das Europaparlament, auf die türkische Regierung einzuwirken?

Jannis Sakellariou: Das Europaparlament kann die türkische Regierung nur an ihre Versprechungen erinnern. Wir haben der Zollunion zwischen der EU und der Türkei nur zugestimmt, weil die Regierung Verbesserungen bei den Menschenrechten zugesichert hat. Das Gegenteil ist der Fall, die Situation hat sich verschlechtert. Das Parlament wird die ihm zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, von Resolutionen bis zur Sperrung von Finanzhilfen, um die Türkei dazu zu bringen, ihre Versprechen auch einzuhalten.

Welche Gelder wollen Sie denn sperren lassen?

Die EU hat der Türkei im Rahmen der Zollunion rund 1,2 Milliarden Mark an Finanzhilfe zugesagt. Etwas mehr als 200 Millionen sollen noch 1996 gezahlt werden. Ich werde im Namen meiner Fraktion verlangen, daß die Mittel gesperrt werden.

Werden die anderen Parteien dieser Initiative zustimmen?

Ich glaube, ja. Es gab in jüngster Zeit im Auswärtigen Ausschuß zweimal Diskussionen zur Türkei, zuletzt, als es im Rahmen der Haushaltsdebatte um die Finanzhilfen ging. Da waren sich die Kollegen aus allen Parteien einig, daß es dramatische Verbesserungen bei den Menschenrechten in der Türkei geben müsse. Das hatte mit dem Hungerstreik noch gar nichts zu tun, der hatte gerade erst angefangen. Wir waren alle empört über die Behandlung der Hadep- Abgeordneten und auch der Demonstranten. Wir haben da im Europaparlament eine einheitliche Position.

Wie können denn die nächsten Schritte aussehen?

Wir werden im September in Straßburg eine große Türkei-Debatte haben. Da wird auch der Ministerrat gefragt werden, wie er sich die weitere Zusammenarbeit mit der Türkei vorstellt. Wir haben jetzt bereits die EU-Kommission aufgefordert, uns schon im September einen Zwischenbericht über die Einhaltung der versprochenen Verbesserungen bei den Menschenrechten zu geben.

Ist September nicht zu spät?

Das Parlament hat leider bis September keine Plenarsitzung mehr. Aber eine Reihe von Abgeordneten hat bereits an die türkische Regierung geschrieben und protestiert. Die Franktionsvorsitzende der Sozialisten, Pauline Green, hat am Mittwoch den türkischen Premierminister Necmettin Erbakan schriftlich aufgefordert, die Haftbedingungen zu verbessern und internationale Beobachter zuzulassen. Sie hat außerdem verlangt, daß die Zerstörung und die gewaltsame Räumung von Dörfern aufhören müsse, und sie fordert Erbakan auf, eine Antwort auf den einseitigen Waffenstillstand der PKK zu geben. Interview: Alois Berger, Brüssel