: Glatte Haut und Schambehaarung
Die Berliner Modemacherin Jutta Teschner präsentiert haptisch reizvolle Damenbekleidung aus hautfarbenem Gummi und Wollpelzen vor sexbereiten Gästen im Swinger Club ■ Von Kirsten Niemann
Es ist Samstag abend, und da sitzen sie nun. Spärlich bekleidete Männer in gestreiften Unterhosen oder einfach locker um die Hüfte geschwungenen Handtüchern. Daneben Frauen in weißen Spitzendessous und Strapsen. Alle haben nur eines im Sinn: den nächsten Geschlechtsverkehr. Doch bevor sie endlich zur Tat schreiten dürfen, gilt es da noch ein Programm zu absolvieren. Auf der kleinen Bühne wird gerade eine Modenschau inszeniert; und zwar die Winterkollektion einer jungen Berliner Modemacherin namens Jutta Teschner.
Von attraktiven Models auf der Bühne ist jedoch keine Spur zu sehen, die Zuschauer sind irritiert. Ganz offensichtlich hat die Modemacherin, die auch die Moderation der Präsentation übernommen hat, etwas gegen Traummaße. Statt dessen agiert auf der Bühne ein baumlanger, als Frau aufgetakelter Kerl. Zu allem Überfluß wird er von einem menschlichen „Haustier“ begleitet, das auf den Namen „Fuck“ gehorcht.
Ebenso bizarr, wie die Vorstellung des Models sind die Namen der Kollektionsstücke, die ausschließlich aus den Materialien Gummi und Wolle gearbeitet sind. „Morgentratsch“ heißt zum Beispiel das Kostüm, das die Dame von Welt heute tragen sollte, während sie nach einem ausgedehnten Frühstück erst mal gemütlich mit ihrer besten Freundin telefoniert. Mit dem „Putzteufel“, einer rosafarbenen Gummikreation, die an eine Schürze erinnert, beseitigt die Hausfrau die feuchten Spuren der letzten orgiastischen Nacht. Nicht nur in einem Kleppermantel kann man duschen, ohne naß zu werden, sondern auch in dem hautengen Gummischlauchkleid namens „Golden Shower“ – wie unser Model hier glaubhaft demonstriert.
An den Teschnerschen Extravaganzen ist das versammelte Publikum anscheinend jedoch nur mittelmäßig interessiert, war man doch eigentlich aus einem völlig anderen Grund gekommen. Denn immerhin befinden wir uns hier nicht etwa auf einer der x-beliebigen Modenschau der Stadt, sondern in Ika's Einhorn, einem nagelneuen Swinger Club in Charlottenburg, der seinen Gästen „mehr bieten will“ als das gewöhnliche „Bumsprogramm“.
„Wir sind ständig auf der Suche nach Leuten, die in irgendeiner Form erotische Kunst in unseren Laden bringen wollen“, erklärt die 31jährige Geschäftsführerin Ika Funk ihre Beweggründe für die zunächst sonderbar anmutende Mode-Aktion. In der Tat muß sich das Publikum erst einmal an so viel kulturelles Sendungsbewußtsein gewöhnen. „Unsere Gäste sind lauter Otto Normalverbraucher und tun sich mit solchen Programmeinlagen im Moment noch ein bißchen schwer“, gesteht die bekennende Intimschmuckträgerin, „aber ich persönlich fand die Sachen von der Jutta Teschner einfach schau!“
Die Designerin Teschner hat mit der Berliner Swinger-Club- Szene natürlich genauso wenig am Hut wie diese etwa mit Kunst und Mode. Gerade hat sie ihr Modedesignstudium an der FHTW (Fachhochschule für Technik und Wirtschaft) abgeschlossen. Titel der Diplomarbeit: „Latex – ein Bekleidungsmaterial zwischen Fetisch und Mode“. Jutta Teschner liebt Gummi, das sich eng an die nackte Haut schmiegt. „Bei dem extrem körperbewußten Fitneßtrend zur Zeit ist Mode aus Gummi doch eigentlich nur konsequent.“
Latex auf nackter Haut – das kennt man heutzutage vor allem von dem Berliner Modemacher Michael Schermon alias XUR, der im vergangenen Jahr damit Aufsehen erregte, als er seine Models mit bunter Latexfarbe bepinselte. Die getrocknete Farbe wurde somit zur zweiten Haut und zum Kleidungsstück zugleich. Während XUR derzeit auf der Suche nach der ultimativen Methode ist, Latexfarbe sogar auf die Haut zu sprühen, besinnt sich die Teschner lieber auf das, was schließlich alle Damenschneider wollen: kaschieren und betonen. Inspirieren ließ sie sich dabei eher durch die Arbeiten Walter van Beirendoncks (W.&L.T.), der gern mal hautenge Latextops mit schlabberigen Bluejeans kombinierte.
Jutta Teschner verschmilzt nicht nur Gummi und Pelz in einer Garderobe, sondern versucht obendrein, Einflüsse aus dem Erotikbereich spielerisch in ihre Entwürfe einzubringen: Chaps (so heißen die im Schritt offenen Überziehhosen, die man als Arbeitshosen für Cowboys in alten Westernfilmen schon gesehen hat) werden hier aus Pelzmaterial gearbeitet. Dazu trägt man dann ein locker sitzendes T-Shirt aus rostbraunem Gummi. Ein flauschiger Pullover bildet eine Allianz mit einem engen Latexkleid, ein vorn offener Wickelrock aus fleischfarbenem Gummi wird kombiniert mit einem brustfreien Wollbolero getragen.
„Sowohl Gummi als auch Pelze haben einen Symbolcharakter“, erklärt die Designerin ihre Kombinationsvorlieben, „so hat der Pelz den haptischen Reiz von Schambehaarung und Gummi den von glatter Haut.“
Bislang hatten lediglich einige Angehörige der Schwulenszene die Traute, sich in Gummi zu hüllen. „Frauen sind ohnehin viel seltener aus eigenem Antrieb fetischistisch“, hat die 30jährige Modemacherin bei ihren Vor-Ort- Studien in Berliner Sexlokalen wie dem Bunker oder dem KitKat- Club festgestellt. „Und echte Gummifetischisten und S/Mler müßten bei meinen Sachen eigentlich sowieso das Kotzen kriegen.“ Die Teschnerschen Entwürfe entsprechen schließlich mehr modischen Vorgaben als denen aus der bizarren Sexszene. Von den eigentlichen „Fetischfarben“ Rot und Schwarz hat sie Abstand genommen zugunsten der kommenden Modefarben Haut, Rosé und Braun.
Auf die Idee, mit ihrer Kollektion in einen Swinger Club zu ziehen, ist sie aufgrund einer Zeitungsannonce gekommen. „Selbst wenn die Leute dort nicht so offen waren, wie ich es mir erhofft hatte, war es einfach klasse.“
Normale Laufstegpräsentationen mit 08/15-Modellen findet sie langweilig, „völlig ironiefrei“ eben. Teschner steht dagegen eher auf Modelle mit „Problemfiguren“ oder Männer, die sie in ihre Damenmode stecken kann. „Am liebsten würde ich mit Transen arbeiten; und dann vielleicht einmal eine Show im KitKat-Club präsentieren.“
Auch Ika Funk will künftig Experimenten wie diesen gegenüber aufgeschlossen bleiben: „Ich bin mir ohnehin ganz sicher, daß unsere Gäste von der Modenschau begeistert waren, sie konnten es eben einfach nur nicht so zeigen.“
Kontakte: Jutta Teschner, Telefon 6175100
Ika's Einhorn: 3233259
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