Punk auch für Omas

■ Küchentalk: "Bernd im Bademantel", So., 12.30 Uhr, N3

Bernd Begemann hat einen guten Ruf in der Hipsterszene. In seiner Jugend soll er sich bereits über einige Blumenkübel in seiner Heimatstadt Bad Salzuflen erbrochen haben, was er als Punk der ersten Stunde als Protest gegen die guten Sitten verstanden wissen wollte. Wer dem Sohn eines Tierarztes erst dieser Tage begegnet, mag es kaum glauben: So einen will jede Mutter für ihre Tochter, notfalls auch für sich selbst.

Allein die Stimme! Im vergangenen Jahr moderierte er kurz das N3-Potpourri des deutschen Schlagers: Wie er dabei Marion Maerz umgirrte, erinnerte in puncto Flirtpotential doch sehr an den verstorbenen Roy Black. Wie er sein dunkles, immer etwas heiseres Timbre einsetzte, um Frieden zu stiften, hatte schon etwas von einer erotischen Lehrstunde.

Dabei tingelte Begemann meist am Rande dessen, was man als Erfolg bezeichnet: Nachdem er Mitte der Achtziger mit seiner Band „Die Antwort“ übers Land zog, veröffentlichte er 1993 seine erste CD: „Rezession, Baby“ bewies freilich, daß für einen wie ihn keine echte Überlebenschance besteht. Den Bravo-Lesern war er zu literarisch, den Feuilletons zu unernsthaft.

Begemann – ewig Underground? Gott sei Dank hat er beim NDR einen Förderer gefunden, der schon andere beharrlich anschob, ehe ihnen eine solide Karriere gelang. Der heißt Horst Königstein, produziert oftmals sehr bestechende Fernsehstücke („Die Staatskanzlei“) und darf sich mit Fug und Recht als Promotor von Stars wie Wigald Boning und Udo Lindenberg bezeichnen. Königstein, der sich Anfang der siebziger Jahre mit der Reihe „Sympathy for the Devil“ als feinfühliger Chronist einer damals kaum begriffenen Zeit hervortat, weiß eben manchmal, worauf es ankommt: „Begemann hat dieses gewisse Talent, selbst Punk so zu verkaufen, daß es die Omas gut finden.“

Beweisen muß Begemann dies nun von Sonntag an. „Bernd im Bademantel“ heißt seine halbstündige Show, die N3 zur besten Mittagszeit – eingepackt zwischen „Promis, Talks und Kabarett“ und „Alfredissimo“ – sendet, sozusagen ein alternativer Frühschoppen mit Billig-Cola. Ein „Format für die Jugend und alle, die mit ihr mitfühlen“, wie Erfinder Königstein meint. Die Idee ist schlicht: Begemann lädt in jede Folge eine Gruppe, die „mich schon immer interessierte“.

Am Sonntag ist dies die Hamburger Band „Tocotronic“, die wie Begemann aus dem Pop-Punk stammt und momentan mit ihren verlorenen Liedern einigen Erfolg hat. Zusammen mit den Künstlern plaudert der Gastgeber über „Dies & Das“. Hübsch die Sequenz, was denn „Tocotronic“ von Udo Lindenberg halten. Ja, antwortet ein Mitglied der Gruppe, man sei freundlich zu ihm gewesen: „Herzlichkeit ist keine Schande.“

Das ganze Unterfangen spielt in Rothenburgsort, einem Hamburger Stadtteil, der direkt an der Elbe liegt, kurz vor der Autobahnauffahrt gen Süden, und wo die Rate der Sozialhilfeempfänger ungefähr so hoch liegt wie im Landesinneren von Mecklenburg-Vorpommern. Menschen wie Begemann wohnen dort gerne, so inmitten von Leuten, die mit ihm und seinesgleichen vom Alltag her nichts zu tun haben. Welcher Punk will schon gerne in Charlottenburg oder Eppendorf beliebt sein? Eine Show – charmant wie beim Prollnachbarn auf der Couch. Jan Feddersen