Allein das Gold ist gut genug

Es geht um den Aufbau eines neuen Geschäftszweigs: Die US-Basketballerinnen haben eine drei Millionen Dollar teure Mission zu erfüllen – sie tun es mit klinischer Präzision  ■ Aus Atlanta Matti Lieske

Tara Van Derveer ist eine bis zur Verbissenheit ehrgeizige Frau und eine kompetente sowie gefürchtete Basketballtrainerin. Gefürchtet nicht nur von den gegnerischen Teams, sondern auch von den eigenen Spielerinnen, denn ihre Trainingseinheiten sind oft brutal und ihre Worte häufig ausgesprochen harsch. Als Coach des Collegeteams der Stanford University hat die 43jährige in sechs Jahren viermal das renommierte Final-Four-Turnier erreicht und zweimal die Meisterschaft gewonnen. Genau die richtige Person, dachte sich der US-Basketballverband, um die drei Millionen Dollar teure „Mission Atlanta“ erfolgreich durchzuführen.

Animiert durch die immense Publicity, die dem männlichen Dream Team in Barcelona zuteil wurde, entschied der Verband, daß es an der Zeit sei, auch bei den Frauen die Überlegenheit des US- Basketballs zu demonstrieren. Die Goldmedaille in Atlanta soll aber nicht nur die Serie bescheidener Plazierungen bei Olympischen Spielen beenden, sondern auch der neuen Profiliga den nötigen Schub verleihen, die in diesem Jahr startet und in der neun Mitglieder des Olympiateams spielen werden.

Schickte man früher kurzfristig zusammengewürfelte Teams aus College-Spielerinnen und Auslandsprofis zu den großen Ereignissen, ging man diesmal systematisch an die Sache heran. Vor 19 Monaten wurde mit der Planung begonnen und ein Kader zusammengestellt, der Erfahrung, Spontaneität, physische Stärke und Finesse miteinander vereint, aber auch gut vermarktbar sein sollte. Berufen wurden allein fünf der sechs letzten College-Basketballerinnen des Jahres, dazu Veteraninnen wie Teresa Edwards (32), zum vierten Mal bei Olympia.

Die von einer 13köpfigen Kommission getroffene Auswahl fand nicht den ungeteilten Beifall von Tara Van Derveer, welcher die Vermarktung schnuppe und nur der sportliche Aspekt wichtig war. „Für mich zählt nur die Leistung“, stellte sie klar, „der Ruf und die Popularität ist mir egal.“ So opponierte die Trainerin lange gegen den Einsatz von Rebecca Lobo, die ihr zu langsam und unbeständig war. Lobo ist jedoch die beliebteste Basketballerin der USA, und in ihrem Heimatort in Massachussetts ist sogar eine Straße nach ihr benannt. Die Sponsoren wären durchgedreht, wenn man Lobo aus dem Team genommen hätte. Van Derveer fand sich schließlich mit den Gegebenheiten ab, wodurch auch die Beziehung zu den Spielerinnen entspannter wurde. „Zuerst“, sagt Center Lisa Leslie, „hieß es: Coaches gegen Team.“ Mittlerweile akzeptieren die zwölf Akteurinnen die gelegentlichen Ausfälligkeiten der Trainerin. „Schließlich ist sie es, die ihren Arsch riskiert“, sagt Katy Steding.

Seit 14 Monaten bestritten die Frauen Testspiele, seit Oktober trainieren und spielen sie durchgehend zusammen. 100.000 Meilen haben sie bei ihren Reisen durch die USA und um die Welt zurückgelegt, dabei gegen die besten Collegeteams und die meisten der olympischen Konkurrenten gespielt. 52:0 stand ihr Rekord vor den Spielen.

Das Ziel ist eindeutig. „Es geht nicht um Bronze oder Silber“, sagt Tara Van Derveer, und auch Spielerin Sheryl Swoopes, die es schon zu einer eigenen Nike-Kollektion gebracht hat, ist sich im klaren, daß „die Goldmedaille der einzige Grund für das ganze Konzept ist“. Doch die ist auch für das unbestritten beste US-Team aller Zeiten keinesfalls so sicher wie bei den Männern. Die Trainerin weiß, daß vielfältige Fähigkeiten nötig sind, um sich bei Olympia durchzusetzen: „Wir müssen schnell genug sein, um gegen Brasilien spielen zu können, groß genug für Rußland und zäh genug für Australien.“

Was die Popularität anbelangt: Es wird daran gearbeitet. Gezielt und im Hinblick auf die Rentabilität des neuen Unternehmens Profiliga. Die Starting Five samt Trainerin zierte das Cover der Olympia-Sonderausgabe von Sports Illustrated, Rebecca Lobo war bei Letterman, Teresa Edwards sprach den Olympischen Eid, Fans wie Magic Johnson, Scottie Pippen oder Gary Payton kommen zu ihren Spielen. Beim Match gegen Zaire im Georgia Dome erschienen dann auch am Donnerstag zur Mittagszeit 31.320 Zuschauer, wohl die größte Menschenmenge, die je ein Frauen-Basketballspiel sah.

Zaires Frauen sind die ersten Afrikanerinnen, die bei Olympia Basketball spielen. Es mangelt an Trainingsmöglichkeiten und Material. Spielkleidung und andere Ausrüstung wurde von dem aus Zaire stammenden NBA-Star Dikembe Mutombo finanziert. Sie stellten natürlich kein Problem für die US-Ladies dar. Mit 107:47 holten sie ihren dritten Sieg, nachdem sie zuvor gegen Kuba und die Ukraine gewonnen hatten. Es war der höchste Basketballsieg der olympischen Geschichte; Männer eingeschlossen.

Ob die Gegnerinnen aus Zaire ihr leid getan hätten, wurde Sheryl Swoopes anschließend gefragt. „Nicht auf dem Platz“, sagte die 25jährige und bewies, daß sie ihre Lektion gelernt hat: „Dort haben wir einen Job zu erledigen. Schließlich geht es ums Geschäft.“