Prügel, Jutesäcke und Morddrohungen

■ Die Festnahmepraktiken der Polizei in Niedersachsen werden immer brutaler

Hannover (taz) – In Salzgitter rammten mit Skimützen vermummte Zivilbeamte das Auto des Asylbewerbers Abdullah D. Sie schlugen ihn und den Beifahrer während der Festnahmeaktion zusammen und stülpten dem Asylbewerber Kamil K. einen Jutebeutel über den Kopf. Dieser wurde verschnürt und erst auf der Polizeiwache wieder entfernt.

Das niedersächsische Innenministerium verteidigte gestern die Aktion als „rechtmäßig und bei mobilen Einsatzkommandos auch üblich“. Beutel oder Säcke, um Festgenommene zu vermummen, würden bei den Mobilen Sondereinsatzkommandos (MEK) vorgehalten, erklärte der Sprecher des Innenministeriums. So soll verhindert werden, daß Festgenommene sich die Gesichtszüge der Beamten einprägen könnten. Es handele sich bei dem Überstülpen des Sackes um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr, die dem Eigenschutz der Beamten diene. Allerdings gebe es keine explizite gesetzliche Regelung für solches Vorgehen.

Nach Angaben des Innenministeriums sollten sich die beiden Festnahmen in Salzgitter ursprünglich gegen zwei unter PKK- Verdacht stehende Kurden richten. Dabei sei der Polizei jedoch ein Irrtum unterlaufen, denn gegen Kamil K. liegt nichts vor. Die prügelnden Polizisten haben ihm zahlreiche Verletzungen beigebracht: eine Gehirnerschütterung, eine Wunde im Gesicht, Prellungen und Schürfwunden.

Das niedersächsische Innenministerium bestritt gestern, daß ein MEK-Beamter Kamil K. zudem auf türkisch gedroht haben, ihm in den Mund zu schießen. Hier stehe Aussage gegen Aussage. Kamil K. hat nach eigenen Angaben nach der Festnahme das Bewußtsein verloren. Auch dies bestreitet die Polizei. Aber Kamil K. wurde anschließend zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus eingeliefert. Die Polizei hatte Abdullah D. den Besitz einer scharfen Waffe vorgeworfen, die sich hinterher als zugelassene Schreckschußpistole entpuppte.

Ein anderer Polizeiübergriff wurde gestern verurteilt: In Hannover hatte die Besatzung eines Streifenwagens einen Flüchtling aus Kasachstan, der des Ladendiebstahls verdächtigt wurde, mit Handschellen von außen an ihr Fahrzeug angeschlossen und angekettet zur Wache transportiert. Die Beamten, gegen die ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde, gaben als Begründung für ihr Handeln eine Hauterkrankung des Verdächtigen an, in der sie Krätze zu erkennen glaubten. ü.o