Der taz-Sommerroman: "Dumm gelaufen" - Teil 13

Prompt traten die streitenden Parteien Kellertüren ein, verwüsteten auch die Waschküche von Denise und warfen Brandsätze in die offenen Fenster der Mieter. Demonstranten, ohe, so unendlich frei kann nur noch die See sein! schmetterten die Mieter an den Fenstern. Aufgekratzt sahen sie zu, daß viele der Demonstranten nach Luft schnappten, verletzt waren, aber vergeblich um Hilfe rufen mußten. Gefährliche Spruchblasen flogen durch die Luft. Und zerplatzten in den Köpfen der Glatzen und in denen der Zaungäste! Es kann doch nicht sein, daß ich einen Molli werfen kann und die Polizei nichts macht. klagte die erste Glatze. Das ist doch Scheiße, daß das hier alles zugelassen wird. Warum schlägt mich niemand. Ich will, daß das jetzt vorbei ist, daß ich gleich tot bin! Ich will doch nur ein Held sein! mukschte die zweite Glatze. Da zünde ich einen Autonomen an und niemand will ihn löschen! empörte sich die dritte Glatze und schaufelte von selbst Sand über den brennenden Autonomen. Die Enttäuschung unter den Glatzen mündete in noch mehr Gewalt.

Interview mit einer Glatze

Ein Reporter auf der Jagd nach einem Interview und der Wahrheit und ein paar interessante philosophische Thesen aus dem Volksmund

Auch der Reporter eilte durch das Bad der Menge. Er fixierte eine Glatze auf der Flucht. Sie stolperte direkt vor sein Mikrophon. In Verdacht auf Gewalt nutzte der Reporter die Gunst der Sekunde und griff sich die Glatze mit einem geschickten Polizeigriff ab. Blitzschnell behandschellte er sie mit den Händen auf dem Rücken am Treppengeländer zur Waschküche. Die Glatze fluchte. Der Reporter drückte seinen Interviewpartner zu Boden, indem er ihn in den Schwitzkasten nahm. Dann schlug er den Kopf der Glatze, dreimal wie einen Hammer auf einer Auktion, auf den Boden. Und nur wenn die Glatze einen substantiellen Satz für die Zeitung hatte, durfte sie in das Mikrophon des Reporters sprechen. Die Glatze bot eine Reichkriegsflagge an. Einmal geschwenkt vor einem Asylantenheim in Eppendorf. Sehr günstig. Ein Hakenkreuz aus Kupferdraht. Made in Hobby. Ein Mein Kampf. Noch ungelesen. Und ein Autogramm. Von Detlef Kühnen. Echt, und original unterschrieben. Die typischen ersten Angebote in einem Interview zur Lage der Nation. Aber der Reporter brauchte andere Informationen und schlug den Kopf der Glatze zweimal auf den Boden. Die Steinplatten saugten Blut. Die Glatze war im Umgang mit der Presse noch sehr unerfahren. Sie starrte das Mikrophon vor ihrer Fresse fassungslos an. Da klugte der Reporter mit einer einfachen, aber elementaren Frage auf. Glatze, Sie haben mit Ihrem Baseballschläger gerade einem Polizisten den Kopf eingeschlagen. Warum? fragte der Reporter. Sieg, Heil! schleppte sich die Antwort aus Glatzes Mund. Die Antwort brach auf dem Boden zusammen. Die Buchstaben stoben in alle Himmelsrichtungen auf und davon. Der Reporter gähnte sich was und noch etwas. Zur Sache, Glatze! Wir bringen keine Helden um! diktierte Glatze in das Mikrophon. Sehr schön, Glatze. Und!? Glatze kam endlich zur Sache. Der Reporter lockerte den Polizeigriff. Herbert war für uns 33 im Krieg, darum gilt ihm heut der Sieg! Mit Gewalt, Glatze? Der Reporter drückte der Glatze wieder den Kehlkopf zu. Mit dem brennenden Kreuz in der Hand, so säubern wir das Vaterland! bräunte sich die Glatze in ihrem Intellekt. Von wem, Glatze? Der Ausländer hat jetzt Schmackes seinen Job, dafür kriegt er einen auf den Kopp! Glatze wurde wieder stierisch. Ihm war nach braunem Krämertum und brachialem Ungehorsam. Ihr nächstes Ziel, Glatze? Deutschland wird gemacht! Geht's voran, Glatze? Bald geht sie auf die braune Saat, für den neuen deutschen Staat! Vielen Dank, Glatze!

(Fortsetzung folgt)

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