■ Nachschlag
: In Abzählreimen: Peter Greenaways Fernsehproduktionen

Wohl dem, der nicht nur schlau, sondern auch zitierfähig ist. So jemand ist Peter Greenaway: „Sobald das Licht ausgeht, ist jeder Zuschauer eine einsame isolierte Insel für sich.“

So geschah's auch letzten Freitag im Künstlerhaus Bethanien. Dort zeigte das europäische Fernsehfestival „TeleVisionen“ in seiner fünften Staffel drei kurze TV-Produktionen in Anwesenheit des britischen Spielfilmers open air.

Skurril der Auftakt der Veranstaltung: Während sich das Publikum mit Wolldecken und Thermoskannen gegen den Berliner Notsommer wappnete, lief auf der Freilichtleinwand, sozusagen als Overheadprojektion die Live-Übertragung der zeitgleich abgehaltenen Signierstunde vom Rande des Auditoriums. So eingestimmt folgten an die tausend fröstelnde Couchpotatos dann dem ersten, für den britischen Channel Four produzierten Clip.

„Making a Splash“ (1984) ist ein kurzer Film über das Planschen. Zur Musik von Greenaways Hauskomponist Michael Nyman (“Drowning by Numbers“, „Der Koch, der Dieb ...“, „Prosperos Bücher“) tropft und rauscht es schnittsynchron zur Musik. Vom ersten Wassertropfen, über Kaulquappen, Flußpferde und Robben bis zu den zackigen Damen des britischen Wasserballets steigert sich der Montage-Rhythmus, als gelte es, die Entstehung allen Lebens aus dem Wasser mit Pomp & Plätschern neu zu erfinden.

Den Greenawayschen Hang zur ordnenden Systematik illustriert „26 Bathrooms“ (1985). Drei Jahre vor dem Spielfilm „Drowning by Numbers“ entstanden, sind beide Arbeiten – trotz verschiedener Formate und Medien – formal und inhaltlich verwandt. Beide haben die gleiche verschrobene Ironie eines Abzählreims für Volljährige. Wer sich an die mörderische Badewannenszene aus „Drowning ...“ erinnert, wird die gleiche feucht-morbide Atmosphäre in dem Fernsehstück wiederfinden. Im Gegensatz zum opulenten, an kunsthistorischen Anleihen reichen Spielfilm ist der in 26 Episödchen alphabetisch organisierte Kurzfilm halbdokumentarisch. Privatleute aus London und Umgebung zeigen in aparten Schwarzweißsequenzen ihren zumeist erotisch-kommunikativen Lieblingsort her. Während ein Experte die aseptische viktorianische Vorgeschichte des britischen Badezimmers erläutert, geben sich die BenutzerInnen von heute textilfrei und tabulos. Am schönsten aber ist die Geschichte vom Sohn eines wassersparenden Vaters. Von frühkindlich-freudlosen Badeerlebnissen traumatisiert, nennt er sein Bad „Samuel Beckett Memorial Bathroom“.

Nach einem kurzen, als Diskussion annoncierten Intermezzo zum Abschluß ein weiterer im Gewand des Schöpfungsmythos daherkommender Kurzfilm. Das massenwirksame Podiumsgespräch selbst fiel aus, d. h. es war keins, wegen unvereinbarer Gegensätze zwischen Moderation und Regisseur. Zitat Greenaway: „Diese Frage strotzt vor intellektuellem Snobbismus – äh, wie spät haben wir's eigentlich?“ Gudrun Holz