■ Wir protestieren im Namen Naurus
: Atlanta Ortszeit 8.12 p.m.

Dieter Adler, der Ewigreportierende, erkennt beim Anblick von Goldkettchen am Athletenkörper „Insignien des Aberglaubens“. Wo hat der Mann seine Adleraugen? Wichtigeres gibt's! Schaue er nur hoch unters Stadiondach: Ist das nicht Naurus Fahne dort im weiten Rund des atlantesischen Olympiastadions? Und da, das stolze, rotkreuzähnliche Banner der großen Sportnation Tonga. Ja, die Zeit der pazifischen Triumphe bricht an. Schon im Vorlauf über 100 Meter hatte der schnellste aller Cookinsulaner absichtlich einen formidablen Fehlstart hingelegt, um danach sekundenlang bildfüllend weltweit in die Wohnzimmer, Hütten und Paläste von Abermillionen zu flimmern. Dann, genau zur taz-Kolumnen-Minute, scheitert der 400-Meter-Mann von den Virgin-Islands um Hundertstel. Olympia ist ungerecht. Wer legt eigentlich die Disziplinen fest? Warum gibt es kein Phosphatwettschürfen für Naurus Weltchampions, kein olympisches Steinewerfen wie einst für Samoas Cracks, kein Kokosnußboßeln für die Favoriten aus Tonga, kein Lianen-Bungee für Papuas Himmelshüpfer oder Kanu-Marathon für all die anderen Südseeler. Klarer Fall von Sportimperialismus. Nordhemisphärialer Kulturzentrismus. Wir protestieren im Namen der Unterdrückten. Da imitiert ein Linford Christie den vorbildhaften Cookinsulaner gleich zweimal. Disziplinlos. Ausgeschieden. Bernd Müllender