Indonesiens neue Opposition muckt auf

Das Inselreich Suhartos wird von den schwersten Unruhen seit dreißig Jahren erschüttert. Die Gegner des Alleinherrschers fordern ein Ende der Korruption, vor allem wollen sie Demokratie  ■ Von Jutta Lietsch

Bangkok (taz) – Sie wolle alles tun, um Blutvergießen zu vermeiden, hat die indonesische Politikerin Megawati Sukarnoputri in den vergangenen Wochen immer wieder betont. Vergeblich. Am Wochenende wurde Jakarta Schauplatz der heftigsten Unruhen seit dreißig Jahren. Rund 10.000 Menschen zogen durch das Botschafts- und Büroviertel der Hauptstadt, setzten Autos, Barrikaden, Bürogebäude und die Barracke eines Frauenkommandos der Armee in Brand. Nach Polizeiangaben kamen zwei Personen ums Leben. Zahlreiche Demonstranten wurden verhaftet. Polizisten schlugen auch auf einen US-amerikanischen Diplomaten ein, der eine indonesische Frau vor den Schlagstöcken schützen wollte.

Auslöser der Randale: Vor Sonnenaufgang hatte die Polizei die Zentrale der „Demokratischen Partei Indonesiens“ (PDI) gewaltsam geräumt. Das Gebäude war seit Juni von Anhängern der PDI- Vorsitzenden Megawati besetzt, nachdem diese auf einem von Militär und Regierung unterstützten Sonderkongreß gestürzt wurde.

So wurde die PDI-Zentrale zum Fokus einer neuen Oppositionsbewegung: Transparente am Haus forderten „Gerechtigkeit und Demokratie“ in Indonesien und ein Ende von „Korruption und Vetternwirtschaft“. Hunderte Sympathisanten und Schaulustige kamen vor das Gebäude, um Megawatis Ansprachen zu hören.

Prominente Dissidenten wie Goenawan Mohamad – ehemaliger Chefredakteur der Zeitschrift Tempo, die wegen ihrer kritischen Berichterstattung nach dem Kauf von deutschen NVA-Kriegsschiffen geschlossen wurde – fanden sich zu einer „unabhängiger Beobachtergruppe“ für die Parlamentswahlen von 1997 zusammen. Sie kündigten einen Boykott an, wenn die Regierung nicht die Wahlgesetze ändert, die der Regierungspartei Golkar eine absolute Mehrheit garantieren. Auch der Chef der größten Muslimorganisation des Landes, Abdurrahman Wahid, stellte sich hinter Megawati.

In der vergangenen Woche trotzten Demonstranten mehrfach den Warnungen der Polizei, zogen durch die Straßen Jakartas, verteilten Flugblätter und forderten mehr Demokratie. Im Laufe des Samstags entwickelten sich die Proteste über die Räumung des Parteigebäude in einen allgemeinen Wutausbruch: „Es geht es nicht mehr nur um die PDI“, sagte ein Student, „die Leute sind über alles verärgert.“ Megawati, die sich weigert, ihre Absetzung anzuerkennen, werde weiterkämpfen, sagte gestern ein PDI-Sprecher.

Aus der Vorsitzenden einer machtlosen Partei, die bei den letzten Parlamentswahlen nur fünfzehn Prozent der Stimmen erzielte, wurde eine „Symbolfigur für alle, die noch an moralische Prinzipien und politische Ethik glauben“, wie die Jakarta Post kürzlich kommentierte. In Indonesien entstehe ein neues Bewußtsein, daß „politische Legitimität vom Volk kommt“.

Niemand anders als der „mächtigste Mann Asiens“ (Asiaweek), Suharto, hat Megawati dazu gemacht. Weil die Partei unter ihrer Führung immer populärer wurde und sie den Staatschef womöglich 1998 bei den Präsidentschaftswahlen herausgefordert hätte, ordnete er ihre Absetzung an. Dabei wäre Suhartos Position niemals gefährdet gewesen: Die meisten Delegierten in der Beratenden Volksversammlung, die den Präsidenten wählt, sind von ihm ernannt.

Warum versuchte er, Megawati aus dem Weg zu schaffen? „Jede Gegenstimme empfindet er als persönliche Beleidigung“, sagt ein Oppositioneller. Der Politologe Riswandha Imawan spricht gar von einer „paranoid“ gewordenen Elite, die nach dreißig Jahren Herrschaft „Angst vor ihrem eigenen Schatten“ bekommen habe.

Daß Suharto sich 1998 zum siebten Mal im Amt bestätigen lassen will, steht außer Zweifel. Öffentliche Debatten über seine Nachfolge läßt er nicht zu. „Er will auf dem Thron sterben wie die Könige in der javanischen Tradition“, sagt der Journalist Andreas Harsono.

„Javanische Tradition! Alles Unsinn!“ entgegnet Ex-Tempo- Chefredakteur Goenawan Mohamad. „Der Mann will nicht abtreten, weil er zuviel zu verlieren hat!“ Suharto zählt nicht zu den mächtigsten, sondern auch zu den reichsten Männern Asiens. Skrupellos hat er dafür gesorgt, daß lukrative Regierungsaufträge, Monopole und Handelskonzessionen an seine Kinder und an befreundete Unternehmer gingen.

Jüngstes Beispiel: das neue „nationale“ indonesische Auto namens „Timor“. Suhartos Sohn Hutomo („Tommy“) darf diesen Wagen herstellen lassen und verkaufen. Daß er sich damit eine goldene Nase verdient, ist todsicher. Der Mittelklassewagen – eine Gemeinschaftsproduktion mit dem südkoreanischen Unternehmen KIA – soll nur rund 15.000 Dollar kosten, halb so viel wie vergleichbare japanische Autos. Das Geheimnis des günstigen Preises: Auf dem Auto liegen kaum Zölle und Steuern. Dafür müssen im „Timor“ mindestens 20 Prozent lokal produzierte Teile eingebaut sein. Allerdings gibt es für die Montage in Indonesien noch nicht die Fabriken. Der „Timor“ rollt deshalb vorerst in Südkorea vom Band – ohne daß Tommy seine vom Vater gewährten Vergünstigungen verliert. Die Autos werden auf Mautstraßen fahren, für die Tommys Schwester Tutut die Lizenz hat.

So unverhüllt sind Korruption und Habgier unter der Suharto- Herrschaft geworden, daß nicht nur unter Bürgerrechtlern und Gewerkschaftlern und dem wachsenden Mittelstand der Unmut wächst, sondern auch im Militär und in Teilen der Wirtschaftselite.

„Die Zeit ist reif für einen Wechsel“, sagt der 39jährige Laksamana Sukardi, Schatzmeister von Megawatis PDI, der seine Karriere als Banker aufgegeben hat und in die Politik ging.

Die von Suharto 1967 eingeführte „Neue Ordnung“, argumentiert er, sei längst hinfällig: Es gebe keine Kommunisten mehr, die das Land bedrohen, politische Unterdrückung und Vorherrschaft der Armee seien mithin nicht mehr zu rechtfertigen. Nur wenn sein Land die Rolle des Militärs zurückdränge, werde es sich zu einem modernen Staat entwickeln. „Sonst bleiben wir zurück wie Birma.“

Kommentar Seite 10,

Portrait Seite 12