: Volxgolf mit Ballverlusten
■ Der Volxgolf-Club will Golfspielen zum Volkssport machen. Auf der Brachfläche des ehemaligen Stadions der Weltjugend landen die Golfbälle eher im Gestrüpp als im Loch
Karl von Sydow schlägt seinen Ball ab. Dieser fliegt in hohem Bogen und landet irgendwo im Gestrüpp. „Wir haben erhebliche Ballverluste zu beklagen“, gesteht von Sydow, während er sich auf die Suche nach seinem Geschoß macht. Der Volxgolf-Club auf dem ehemaligen Gelände des Stadions der Weltjugend residiert quasi auf einer Abbruchfläche. Unkrautähnliche Pflanzen, die sich schnell auf dem ganzen Gelände ausbreiten, verhindern immerhin das völlige Versanden des Platzes. Aufgehängte Plastikeimer markieren die Löcher der Dreilochanlage.
Von Sydow, der Vorsitzende des Volxgolf-Clubs, ist an den hohen Ballverlusten nicht ganz unmaßgeblich beteiligt. Schließlich hat er heute bereits drei verkaspert, bevor er überhaupt nur das erste Loch getroffen hatte. Von den 2.500 Bällen, die in diesem April von der Sport-Arbeitsgemeinschaft Mitte (SAG) zur Verfügung gestellt wurden, existieren heute nur noch 100. „Golfen ist doch erheblich schwieriger als Snooker spielen“, entschuldigt von Sydow seine schlechte Tagesform. Der gelernte Tischler spielt erst seit anderthalb Jahren diesen Sport, der in Deutschland bis heute noch als versnobt und elitär gilt. Und das wollen beide hier ansässigen Golfvereine ändern.
Auf der Südseite des Geländes betreibt der Förderverein „Golfpark Schloß Wilkendorf e.V.“ eine weitere Dreilochanlage. „Wir haben dieselben Ziele wie die da drüben“, sagt Oliver Findewirt, Projektleiter und Manager des Fördervereins. Der gelernte Golflehrer zeigt auf den brachen Acker der Volxgolfer gegenüber. „Wir haben nur mehr Mittel und Sponsoren, weshalb wir unseren Platz ein bißchen schöner machen können.“ Die offizielle Platzeröffnung soll am 24. August stattfinden.
In absehbarer Zeit soll auf dem Gelände der Volxgolfer ohnehin ein Fußballplatz entstehen, und spätestens dann werden die beiden Vereine wohl fusionieren. Schon heute arbeiten sie in einzelnen Bereichen eng zusammen, wie zum Beispiel bei der Betreuung der Kinder-Trainingsstunden, die übrigens gratis sind. Obwohl beide Vereine dasselbe Ziel haben, nämlich Golf als Volkssport auch außerhalb von Rechtsanwalts- und Zahnarztkreisen populär und erschwinglich zu machen, ist man sich verschiedener Auffassungen im einzelnen durchaus bewußt. „Die Volxgolfer sind schon wesentlich radikaler als wir. Wir wollen alle Leute hier haben – ob sie nun mit der U-Bahn kommen oder mit dem Ferrari. Das ist doch egal!“ Findewirt hat ohnehin den Verdacht, daß die Nutzer des Nordplatzes genauso radikal seien wie die in den elitären Clubs, „nur eben unter anderen Vorzeichen“.
Auf Ferrari-Fahrer legen die Volxgolfer keinen gesteigerten Wert, sie haben Prinzipien. „Nehmt den Reichen ihren Sport weg!“ – so lautete schon das Motto des „Kreuzberger Golf Bunds“, der sich nicht nur symbolisch KGB abkürzt, sondern auch noch zwei gekreuzte Golfschläger auf seine Fahnen geheftet hat. „Das ist ein Verein, der sich seit 1990 in Gründung befindet und ehrlich gesagt auch nie wirklich gegründet werden sollte“, erklärt Clemens Bayer, Vorsitzender des KGB und gleichzeitig Erfinder des Berliner Nachtgolfens, das einige Jahre lang in lauschigen Vollmondnächten in der Hasenheide betrieben wurde. Was hier nach Spaßguerilla klingt, hat dennoch ein ernstes Anliegen. Bayer, ebenfalls ein Mitglied im Volxgolf-Club und von Beginn an treibende Kraft in der Verbreitung des Sports, betreibt diesen geradezu missionarisch: Vor 18 Jahren, auf seinen Urlaubsreisen nach Großbritannien – dem Schlaraffenland aller Golffreunde – hat er den Sport ausüben und lieben gelernt.
„Edinburgh hat fünf öffentliche Golfplätze, auf denen man quasi zum Selbstkostenpreis und ohne Mitgliedschaft spielen kann“, schwärmt der 37jährige Polsterer, der auch schon mal für eine Woche in einem Club Med Golfunterricht gegeben hat. „Doch das war nichts für mich!“ Bayers geheimster Wunsch ließe sich denn auch kaum mit den versnobten Vorstellungen der herkömmlichen Golfklientel vereinbaren: Er träumt davon, delinquenten Jugendlichen das „Meditative“ des Golfsports nahezubringen. „Mit roher Gewalt kommst du nämlich nicht ans Ziel“, meint Bayer, „du mußt diese Dynamik, die man mit einem Schlag auslösen kann, einfach spüren. Und ist es nicht ohnehin gut, die Kids von der Straße zu holen?“
Karl von Sydow ist mittlerweile schon an Loch drei angelangt und gibt ein paar Jungs aus der Nachbarschaft kluge Ratschläge in Sachen Körperhaltung: „Geh ein bißchen in die Knie, Robert!“
Golf als Breitensport – das Interesse ist ganz offensichtlich vorhanden. Doch wird es sich hier genauso durchsetzen können wie Fußball? Beides seien schließlich uralte und dabei ursprünglich volkstümliche Freizeitbeschäftigungen, weiß Clemens Bayer und gibt Historisches zum besten: Aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen mit England verbot im Jahr 1447 der schottische König seinen Untertanen nicht nur das Fußballspielen, sondern auch das Golfen – damit diese sich in stärkerem Maße „sinnvolleren“ Dingen zuwenden konnten, nämlich der Wehrertüchtigung. Kirsten Niemann
Das nächste Nachtgolfturnier der Volxgolfer findet am 31. August statt. Einlaß ab 15 Uhr. Eröffnung des Fördervereins Wilkendorf e.V. am 24. August ab 15 Uhr.
Ort: Stadion der Weltjugend, Chausseestraße 96, Mitte
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