Jugendliche traten Kumpel tot

■ Im Prozeß um zwei Heranwachsende, die auf einer Straße in Marzahn einen 21jährigen totschlugen, ist das Motiv unklar. Zur Tatzeit waren sie alkoholisiert

„Warum“, fragt der Richter immer wieder, „warum haben Sie das gemacht?“ Die Antwort der beiden Angeklagten Steffen F. und Ronny K. ist immer gleich monoton: „Ich weiß nicht.“ Beide sind vor dem Landgericht angeklagt, im vergangenen Oktober auf einer belebten Straße in Marzahn Mario A. geschlagen und getreten zu haben, so daß dieser aufgrund seiner Hirnverletzungen starb. Beide Angeklagten sind geständig.

Der 18jährige Ronny K. reagiert bockig, als er gefragt wird, warum er Mario A. ein paar „geballert“ und, als der 21jährige dann schon am Boden lag, immer wieder gezielt mit seiner Schuhsohle ins Gesicht getreten habe. Beide wiederholen immer nur, daß Mario A. ihnen „mächtig auf den Sack gegangen“ sei. Kennengelernt hatten sie ihn einige Tage vor der Tat bei Ina L., Ronnys Freundin. Dort trafen sich häufig „mehrere Kumpels“, um sich „breit“ zu saufen und Video zu gucken.

Neid dürfte bei der Tat eine große Rolle gespielt haben: Mario A., der wegen Autodiebstahls in der JVA Plötzensee gesessen hatte, hatte sich auf seinem Freigang erneut ein Auto „beschafft“ und war nicht mehr in den Knast zurückgekehrt. Und weil Mario A. mit seiner Prahlerei „genervt“ habe, hätten die beiden ihn schon bei einem Zusammentreffen vier Tage vor der eigentlichen Tat zusammengeschlagen und ihm seinen teuren Kapuzenpulli geklaut.

Doch das reichte ihnen nicht: Tage später suchen sie Mario A. – mit Weinbrand und Bier zugeknallt – in Marzahn, weil Ronny K. jetzt unbedingt den geklauten Ford Escort selbst haben möchte. Als sie ihn finden, schlägt – nach Aussage von Steffen F. – Ronny K. Mario erneut zusammen, beide schleifen ihn durch die Straße. Passanten greifen nicht ein, obwohl laut Ronny K. „Leute dabeistanden und zuguckten“. Von Marios Tod erfahren Steffen und Ronny einen Tag später aus der Zeitung. Sie hatten den Leblosen einfach liegengelassen.

Es sei nicht „gut“ gewesen, was sie gemacht hätten, sagen sie beide einmütig, doch sonderlich bewegt wirken sie nicht. Beide geben sich betont lässig, sitzen breitbeinig auf ihren Stühlen, was in Kontrast zu ihren schmächtigen Körpern und kindlichen Gesichtern steht. Die rasierten Glatzen, die sie zur Tatzeit hatten, sind mittlerweile zugewachsen. Sie tragen die kurzen Haare mit einem akkuraten Seitenscheitel, doch „politisch“ oder sogar „rechts“ seien die beiden Angeklagten absolut nicht, versichert die Jugendgerichtshelferin Ulrike Saß. Sie erklärt das „großkotzige Verhalten“ Ronnys, der in Cottbus aufgewachsen ist und dort schon eine mehrjährige Haftstrafe wegen Einbruchs und Diebstahls verbüßt hat, mit seiner kaputten Kindheit: eine überforderte und willenlose Mutter, Sonderschule, Aufenthalt in mehreren Kinderheimen.

Nach seiner Haftstrafe habe er das Angebot gehabt, in einer betreuten Wohngemeinschaft unterzukommen und eine Therapie zu machen. Doch Ronny K. lehnte ab: „Keinen Bock“ hätte er darauf gehabt. Alkohol sei in seinem Leben bestimmend gewesen, nur dann habe er sich ernst genommen gefühlt.

Das sagt auch Ronny K. Er habe getrunken, „weil ich nüchtern Scheiße war“. Wenn er besoffen sei, werde er zwar nicht lustig, aber wenigstens „aggressiv“. Auch Steffen F. ist bereits wegen Raubs verurteilt worden. Mit einem Urteil ist in der nächsten Woche zu rechnen. Julia Naumann