■ Standbild: Simulierte Seßhaftigkeit
„Schöner als am Balaton“, So., 21.00 Uhr, MDR
Einige der Dauercamper kommen seit 35 Jahren Sommer für Sommer an die A 13 zwischen Dresden und Berlin. Der erste Stellplatz liegt 15 Meter neben der Autobahn. Drei Stunden warten die Angler im Straßenlärm, bis ein Karpfen im Radeberger Stausee anbeißt. Aber „die Ollemanns mögen keinen Fisch“. Der Karpfen landet wieder im Teich, statt dessen gibt's am Abend Rindergulasch.
Es ist schon eine fremde und seltsame Welt, die Andreas Menschel in seiner Reportage, nicht ohne kritische Zwischentöne, vorstellt: „Fünf Sachsen, fünf Flaschen Bier: Wir sind beim Dauercamper-Dauerstammtisch. Quatschen gegen die Langeweile.“ Andere reden nicht mehr: „Der erste Schnaps zum Frühstück ist geschafft.“ Dann wird das Auto gewienert. Menschel seziert sorgfältig die Öde eines (ost-)deutschen Campingplatzes. Scheint einmal die Sonne, wird drinnen geglotzt, was die Satellitenschüssel überträgt. Die Toiletten sind „nichts für empfindliche Nasen“. Für die 15jährigen, die mitmüssen, ist der Campingplatz „ein Jugendknast mit Freigang“. Auch die Wohnwagen werden eingemauert.
„Am liebsten würden die noch betonieren und grün anstreichen, damit sie keine Arbeit haben“, mokiert sich ein kritischer Camper. Zwischendurch wird geschraubt und gebastelt. Praktische Geräteschuppen werden aufgestellt, und der Campingplatz „verwandelt sich zu einer Schrebergartenanlage“. Der 30 Jahre alte Schmalfilm zeigt ein Idyll, an dem heute keiner mehr interessiert ist. Das Camping gleicht einem virtuellen Nomadentum mit simulierter Seßhaftigkeit. Wehe denen, die mit dem Wohnwagen tatsächlich noch umherziehen: Die Roma befinden sich „jenseits des Zauns“, bringen aber „gutes Geld für den Campingplatz“: 5.000 Mark für eine Woche bei Vorkasse. Zwischenfälle werden unbürokratisch geregelt. Für eine Delle in der Motorhaube eines erregten Campers muß der Roma-Boß 150 Mark zahlen. Dafür sorgt die resolute Leiterin des Platzes.
Man kann es nicht anders zusammenfassen als Andreas Menschel in seinem Titel: „Schöner als am Balaton“. Ein einfacher Satz aus dem Munde eines einfachen Campers, aber eine schwierige halbe Stunde für den Zuschauer. Abwehrgedanken gehen einem durch den Kopf: Hoffentlich bleiben die auf der anderen Seite der Mattscheibe! Manfred Riepe
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