Voller Einsatz – kleines Geld

ILO-Studie bringt brandneue Erkenntnisse: Frauen arbeiten länger als Männer für weniger Lohn  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Frauen werden auf dem weltweiten Arbeitsmarkt weiterhin stark benachteiligt. Inzwischen arbeiten 45 Prozent aller Frauen im Alter zwischen 15 und 64 Jahren; der Anteil steigt ständig. Doch obwohl Frauen pro Woche zwei bis zehn Stunden länger arbeiten als die Männer, erhalten sie auch für vergleichbare Tätigkeiten durchschnittlich 25 Prozent weniger Lohn. Das ist das Ergebnis einer Studie mit dem Titel „Mehr und bessere Jobs für Frauen“, die die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) heute in Genf veröffentlicht.

Zwar hätten Frauen in den letzten Jahren „deutliche Fortschritte“ gemacht beim Vordringen in traditionell ausschließlich von Männern ausgeübten Berufen, heißt es in der ILO-Studie. Auch wuchs die Zahl der beschäftigten Frauen in den 28 Industriestaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zwischen 1980 und 1990 doppelt so stark wie die der Männer. In Westeuropa waren in diesem Zeitraum von den acht Millionen neuen Erwerbstätigen sieben Millionen Frauen. Doch in leitenden Positionen sind Frauen nach wie vor zu nicht mehr als sechs Prozent vertreten.

Der Anteil der Frauen an den Arbeitslosen ist in den OECD- Ländern zwischen anderthalb und zweimal so hoch wie der der Männer. 70 Prozent der armen Erdbevölkerung und 65 Prozent der Analphabeten sind Frauen.

In den stärker industrialisierten OECD-Staaten verrichten Frauen wöchentlich zwischen 5 und 15 Stunden unbezahlter Arbeit – zumeist im Haushalt und bei der Kinderbetreuung. In den Staaten des Südens sind es sogar 31 bis 42 Stunden wöchentlich.

Zu den positiven Entwicklungen zählt die ILO unter anderem die Tatsache, daß in den USA heute mehr Frauen ihre eigene Firma gründen als Männer. In vielen Ländern des Nordens wie des Südens sei das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ inzwischen zumindest gesetzlich verankert. Da mehr Frauen Mitglieder von Gewerkschaften würden, sei die Sensibilität der Arbeiterorganisationen für frauenspezifische Fragen gewachsen. Insgesamt fällt die Bilanz laut ILO-Generaldirektor Michel Hansenne jedoch negativ für die Frauen aus: „Gleiche Chancen für Frauen und gleiche Behandlung auf dem Arbeitsmarkt sind bislang nirgendwo in der Welt erreicht worden.“

Laut der Studie waren Frauen die Hauptopfer der Rezession der vergangenen Jahre. In boomenden Ländern stütze sich die auf Export ausgerichtete Industrialisierung auf die billige Arbeitskraft von Frauen, erklärte Michel Hansenne: In Südostasien und Ostasien werden Exportgüter bis zu 80 Prozent von Frauen produziert.