Ein Knall wird zum Signal

■ China zündet seine vorerst letzte Atombombe

Das Timing ist perfekt. Stunden bevor in Genf die internationalen Verhandlungen über die Beendigung aller Atomtests wieder aufgenommen wurden, haben die Machthaber in Peking ihre Bombe gezündet – die letzte, wie sie beteuern. Der letzte chinesische Test bedroht noch einmal die Gesundheit der Menschen in Zentralasien. Aber: Er ist auch Schlußpunkt für diese Bedrohung. Das ist positiv.

Der Test kurz vor den Genfer Verhandlungen ist zweitens ein erneutes Signal, daß sich die alten Herren in Peking von der internationalen Gemeinschaft nichts, aber auch gar nichts vorschreiben lassen. China ist ein souveränes Land, wie es die chinesischen Diplomaten bei der UN fast schon gebetsmühlenartig wiederholen.

Der Atomtest in der Wüste Nordostchinas ist aber vor allem ein historisches Datum. Er markiert das Materielle der Atomrüstung des Kalten Krieges. Alle alten Nuklearmächte haben jetzt versprochen, die Erde ruhen zu lassen und den Atomkrieg nicht mehr zu testen. 51 Jahre und unzählige Strahlentote nach dem ersten Atomtest in New Mexiko wird ein Kapitel endgültig geschlossen.

Doch dieses materielle Ende des Kalten Krieges hinkt Jahre hinter dem realen Ende her. Heute ziehen sich die Konfliktlinien der internationalen Politik nicht mehr zwischen Ost und West, sondern zwischen Nord und Süd entlang. Nicht mehr ungezügelter Kapitalismus und Staatssozialismus stehen sich gegenüber, sondern Reich und Arm. Für die Lösung dieses Konflikts ist der chinesische Teststopp keine Hilfe. Vielleicht sogar im Gegenteil. Reich und arm heißt künftig auch atombombenreich und -arm. In der Logik des Nord-Süd-Konfliktes hat sich China dem Club der Besitzenden angeschlossen – eine nukleare Frontbegradigung sozusagen. Die fünf Atommächte beharren auf ihrem Arsenal – und wollen gleichzeitig ein friedfertiges Image aufpolieren. Das Tor zum Clubhaus der Mächtigen hat sich geschlossen. Draußen bleiben die ökonomischen und nuklearen Habenichtse, bleiben Inder und Pakistani, Israelis und Araber. Draußen bleibt die Armut der Welt. Ihnen müssen die Atomstaaten nun um so dringender ein Angebot machen. Sonst darf man sich nicht wundern, wenn Drittweltländer nun noch stärker zur Bombe drängen. Hermann-Josef Tenhagen