Funkjazz zum Imbiß

■ „Charles“ – modische Popband beim „Internationalen Bremer Sommer“

Die Hauptsache sind natürlich die alkoholischen Getränke und Spezialitäten aus internationalen Imbißbuden. Aber um das kauende und schluckende Publikum bei Laune zu halten, haben die Veranstalter des „Internationalen Bremer Sommers“ vor und neben dem Rathaus für halbwegs kultivierte Dinermusik gesorgt. Auf zwei Bühnen wechseln sich hier etwa klassische Combos in klassischen Theaterkostümen mit afrikanischen Perkussionisten ab.

Am Montagabend spielte direkt vor der Statue mit den Bremer Stadtmusikanten die Band des Funk-Acidjazz-Hiphop-Pop-Musikers „Charles“. Mit einem komischen Strickhut auf dem Kopf sang, oder besser, rapte der Bandleader zu den schwarz angehauchten Rhythmen, die gerade in den angesagten Clubs in London gespielt werden. Oder hat sich da schon etwas Neues getan, und sie spielen immer noch den Mix von gestern? Eine Band, die so eifrig den Moden nachhechelt wie diese, hat permanent das Problem, auf dem Laufenden bleiben zu müssen. Ein eigener Stil, ein originelles Grundkonzept, mit denen sich die Band wirklich einen Namen machen könnte, fehlen. Und so bleibt den sechs Musikern aus Frankreich, Deutschland und Holland nur die Jagd nach dem letzten Trend. So war es bezeichnend, daß die Band den Auftritt als ihren letzten mit dieser von ihnen „C-Funk“ genannten Musik ankündigte. Bis zum Herbst wollen sie sich ein anderes Konzept mit „völlig neuer Popmusik“ erarbeiten, also versuchen, auch auf der nächsten Musikwelle zu surfen. Einen ihrer älteren Titel stellten sie schon mal in einer neuen „drums & bass“ Version vor (dieser hektische Grundbeat ist gerade das hipste überhaupt).

Immerhin muß man zugeben, daß die Band, deren CDs beim Bremer Label „Jaro“ erscheinen, durchaus geschickt und kompetent abkupferte. Selbst die Songtitel waren zum Teil geklaut, oder war ihr „Walk Spirit, Talk Spirit“ gar eine unerkennbare Coverversion der gleichnamigen Komposition von McCoy Tyner? Egal – die Rhythmusgruppe konnte die Grooves sehr gefällig und tanzbar schwappen lassen. Der Keyboarder hatte seine Instrumente meist auf den schön dreckigen 70er Jahre Sound des „Fender Rhodes Electric Piano“ eingestellt, und Saxopho- nist Philip Noan improvisierte mit so viel Soul und Energie, daß man dafür auch gerne den mit der Zeit ziemlich penetranten Sprechgesang des Bandleaders in Kauf nahm.

Das Wetter war gut, und so wippten knapp hundert Zuhörer gemütlich bei Bier und Leckereien zur Musik mit den Füßen. Bei Charles' Version von Grace Jones' „Nightclubing“ konnte man sich sogar den passenden exotischen Cocktail direkt vor der Bühne mixen lassen. Und bei einer angemessen spacig interpretierten Weltraumsuite von Sun Ra erinnerte das billige Plastik-Modell vom Brüsseler Atomium zwischen den Marktständen plötzlich an die Kulissen der „Raumpatrouille Orion“.

Willy Taub