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Verrückte Welt, unverkennbarer Zeichenstil

■ Geschichten von Hippies mit Yin-Yang-Manie, manischen Surfern und Yuppies, die ihre Frauen schlagen: „Freak Magnet“ der Comic-Künstlerin Mary Fleener

Der erste Eindruck ist der stärkste: Gesichter, die zu Piktogrammen erstarren, harte Linienführung, reines Schwarzweiß, die Auflösung von Formen in geometrische Muster. Die kalifornische Malerin und Comic-Autorin Mary Fleener hat einen unverkennbaren Zeichenstil, der jetzt in „Freak Magnet“ in deutscher Übersetzung in den Handel gekommen ist.

Das Rohmaterial für „Freak Magnet“ liefern die „Slutburger Stories“, die Mary Fleener in den USA regelmäßig veröffentlicht und in denen sie „wahre Geschichten aus meinem Leben“ erzählt. Dort treten auf: ein Hippie mit Yin-Yang-Manie, ein kokainsüchtiger Yuppie, der Schuhfetischist ist und seine Frau schlägt, und ein fanatischer Surfer, der bunte Hemden trägt und bei Morgengrauen aufbricht. Mit letzterem ist Fleener seit Jahren verheiratet: „Mein Leben ist eigentlich recht langweilig, aber ich hatte das Vergnügen, eine Menge Verrückte kennenzulernen.“

Fleeners Typen verkörpern alle gängigen Klischees der kalifornischen Lebensart. Zum Klischeehaften trägt auch Fleeners konventionelle Dramaturgie bei, die jede Rückblende brav ankündigt. Auch verläßt die Künstlerin selten die Deckung der Beobachterin, sie versteckt sich inmitten dieser Verrückten hinter dem sehr amerikanischen Imago der eigenen Normalität.

Interessant wird „Freak Magnet“ erst, wenn man es gegen den Strich liest: wenn die Lächerlichkeit fremder Esoterik ihre eigene Schilderung von Poltergeistaktivitäten eines verstorbenen Freundes unterläuft, wenn das Zusammenleben mit dem surfenden Ehemann die elterliche Vorstellung von trautem Eheleben widerspiegelt, wenn ihr kubistischer Zeichenstil – und schon der alte Picasso hat den Kubismus auf Postertauglichkeit reduziert – zum kulturellen Schutzschild einer Art-School-Absolventin und Künstlerintochter wird. Dirk Rehm, Herausgeber der deutschen Ausgabe, meint, daß Fleener „zu den wenigen Zeichnerinnen gehört, die ihre feministischen Standpunkte nicht zwingend in den Vordergrund stellen“. Nicht unbedingt ein Vorzug, sondern eher Ausdruck von Ängstlichkeit. Martin Zeyn

Mary Fleener: „Freak Magnet“. Reprodukt, Berlin 1996, 24,80 DM

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