Vorsichtiges Wohlwollen für die Grünen

■ Immer mehr Wirtschaftsverbände beginnen die Bündnisgrünen ernst zu nehmen

„Es gibt eine Neugier bei den Verbänden“, freut sich Margareta Wolf. „Die gab es vorher noch nicht.“ Die Bundestagsabgeordnete und wirtschaftspolitische Sprecherin der Bündnisgrünen in Bonn erfährt derzeit Unterstützung von Organisationen, für die ihre Partei in der Vergangenheit nicht einmal Ansprechpartnerin, geschweige denn mögliche Verbündete war.

„Die Grünen sind für uns keine zu vernachlässigende Größe mehr. Wir müssen da ein bißchen besser hingucken, als wir das bisher getan haben“, meint etwa Holger Wenzel. Der Hauptgeschäftsführer vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) steht mit seiner Einschätzung nicht alleine da. Mit vorsichtigem Wohlwollen beobachten große deutsche Wirtschaftsverbände den neuen Kurs der grünen Bundestagsfraktion.

„Von Ideologie bis hin zur Phantasterei“ habe sich die Bundestagsfraktion „zu mehr Nüchternheit“ entwickelt und versuche, „den ökonomischen Realitäten gerecht zu werden“, meint Franz Schoser vom Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT). Vor fünf Jahren hätte der Hauptgeschäftsführer „diese Entwicklung noch nicht für möglich gehalten“.

Das geht Arnold Willemsen vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ähnlich: „Ich hatte eigentlich gedacht, daß der linke Teil der Partei sich auch in der Fraktion durchsetzen würde. Jetzt habe ich den Eindruck, daß sich die Fraktion auf einem eher marktwirtschaftlichen Kurs befindet.“ Ein einheitliches Bild ergibt sich für Willemsen damit noch nicht: „Innerhalb der grünen Partei scheint es ganz unterschiedliche Strömungen zu geben. Da sind einerseits Leute wie Oswald Metzger, die eine marktwirtschaftliche Position vertreten. Dem gegenüber stehen Leute wie Herr Trittin, der mir von einem Marxismus à la DDR nicht weit entfernt zu sein scheint.“

„Berührungsängste gibt es sicherlich nicht“, erklärt der BDI- Vertreter. „Persönlich habe ich den Eindruck, daß gerade in der Bundestagsfraktion eine Reihe von Leuten sitzen, mit denen man wirtschaftspolitisch etwas anfangen könnte.“

Gute Noten bekommt vor allem die Mittelstandspolitik. „Über die Positionen von Frau Wolf kann man immer reden, und das gab es früher eben nicht. Es ist erstmals in dieser Legislaturperiode möglich“, sagt Holger Wenzel vom HDE. „Früher waren für wirtschaftspolitische Themen das Verständnis und das Interesse nicht so da. Das wächst jetzt deutlich.“

Das wird beim Deutschen Gewerkschaftsbund anders gesehen. Während Sprecher Peter Schellschmidt die guten Kontakte zu Bündnisgrünen in anderen Bereichen wie der Arbeits- und Sozialpolitik betont, erntet der wirtschaftspolitische Kurs der Bundestagsfraktion harsche Kritik: „Es gibt Positionen, die meilenweit von unseren entfernt sind. Was uns Sorge macht, ist das unkritische Eingehen auf die Spardebatte. Dabei wird nicht gefragt: Wofür und wie wird gespart.“

„Bei den Grünen ist gelegentlich auch viel Populismus dabei“, meint Schellschmidt. „Wenn Oswald Metzger sagt, er sei dafür, fünf bis zehn Prozent des Wohlstands wegzunehmen, dann ist das naiv und politisch gefährlich. Es sagt überhaupt nichts aus, und jeder kann sich das auf seine Fahnen schreiben, was er gerne verwirklicht sehen möchte.“

Überrascht zeigt sich der DGB- Sprecher vom neuen Kurs allerdings nicht: „Es ist nicht das erste Mal, daß die Grünen im Parlament die Rolle der FDP übernehmen.“ Bettina Gaus, Bonn