: Blanker Populismus
■ Clintons Anti-Terror-Pläne sind falsch und ineffektiv
Gäbe es eine jährliche Verleihung der faulen Zitrone für die schlechteste Politik im Bereich Grund- und Bürgerrechte, dann wäre Bill Clinton auch dieses Jahr Favorit. Die Todesstrafe findet er so gut, daß er Gesetze zur Beschleunigung von Exekutionen unter Mißachtung rechtsstaatlicher Grundsätze als „Terrorismusbekämpfung“ verkauft. Zensur im Internet, erleichterte Abschiebung von Immigranten, Abbau von Reformen im Strafvollzug – kein Problem für den studierten Juristen. Hauptsache, seine Wahldemoskopen zeigen mit dem Daumen nach oben.
Unter dem Eindruck des Bombenanschlags von Atlanta und des Absturzes der TWA-Verkehrsmaschine will Clinton nun wieder ein bißchen Terrorismus bekämpfen. Sein erster Vorschlag, Sprengstoffe chemisch zu markieren, um die Herkunft von Bombenmaterial ermitteln zu können, ist zweifellos vernünftig, der zweite – die Ausweitung von Lauschangriffen – nicht. Abgesehen von den (bürger-)rechtlichen Bedenken gegen solche Wahlkampf-Schnellschüsse trägt diese Maßnahme nicht zur Lösung des Problems bei. Der hausgemachte Terrorismus aus dem Spektrum rechtsradikaler Bürgermilizen ist nicht deshalb gediehen, weil das FBI zuwenig Telefone abhören durfte. Er ist gewachsen, weil man es bis zur Katastrophe in Oklahoma City nicht besonders alarmierend fand, daß sich Gruppen selbsterklärter „Patrioten“ mit – meist legal angehäuften – Waffenarsenalen auf den Angriff der Bundesregierung und schwarzer UNO- Helikopter vorbereiteten.
Was den Schutz vor Terroranschlägen im Flugverkehr betrifft, so wären ein paar neue Gesetze tatsächlich wünschenswert – aber nicht in Form von Blankoschecks an das FBI. US-Fluggesellschaften wehren sich mit dem Hinweis auf „zu hohe Kosten“ bis heute erfolgreich gegen die gesetzliche Verpflichtung, eine seriöse Sicherheitsüberprüfung ihres Bodenpersonals durchzuführen. Auf US-Flughäfen eine Bombe im Frachtraum eines Flugzeuges zu plazieren, ist ein Kinderspiel. Kein Mechaniker, Gepäckfahrer oder Catering-Lieferant muß eine Sicherheitsschleuse passieren. Terrorismus könnte bekämpft werden, wenn Washington den Fluggesellschaften kräftig auf die Finger haut. Allerdings ist diese Form von staatlicher Intervention derzeit höchst unpopulär. Andrea Böhm
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