Meerschweinchen, Menschenopfer

■ Die Neuseeland Filmrolle – Dark Tales: sieben Kurzfilme voll Spleen und schwarzem Humor

Neuseeland, hat Peter Jackson einmal gesagt, sei ein Land der permanenten Debüts. Nach dem zweiten oder dritten Erfolg gehe jeder Filmemacher nach Amerika. Dennoch: Seit Jacksons Splatterfilmen (Bad Taste und Brain Dead) und den Anti-Heldinnen von Jane Campion (Das Piano) ist Neuseeland – was den Film anbetrifft – keine terra incognita mehr.

Dieser Tage erreicht uns eine filmische Flaschenpost: eine Anthologie von sieben Kurzfilmen voll schwarzem Humor, made in New Zealand. Die KurzFilmAgentur Hamburg, die für ihre Arbeit kürzlich mit dem Bundesverleiherpreis ausgezeichnet wurde, hat die Flaschenpost aus dem Wasser gezogen. Debüts also, aber was für welche!

Scott Reynolds war Filmvorführer, bevor er A Game With No Rules machte. Sein pulp fiction über die Erotik des Geldes ist ein souveränes Spiel mit den Versatzstücken des Genrekinos und schafft es, parodistische Intention und die Spannung eines Krimi-Plots zu vereinbaren.

Lemming Aid ist Satire. Eine Gruppe militanter neuseeländischer Tierschützer hat sich auf einer Felsenklippe an der norwegischen Küste postiert, um die Lemminge – im Film gespielt von Meerschweinchen – vor dem Massenselbstmord zu bewahren. Wenn die Natur ungerecht ist, muß eben nachgeholfen werden!

Im Mittelpunkt der Dark Tales geht's weniger spektakulär zu. Avondale Dogs erzählt vom Anfang vom Ende der Kindheit: vom Verlust der Mutter und der Erfahrung der ersten Liebe. Abschied von den Eltern übt auch Tallulah aus Funny Little Guy, die mit ihrem Faible für die Sixties allein in einem Wohnwagen lebt, in the middle of nowhere. Bis eine fliegende Untertasse samt Besatzung auftaucht: ein Mann mit grünem Teint, aber sonst sehr charmant. Als er am nächsten Morgen auf seinen Planeten zurückfliegen muß, darf Tallulah endlich erwachsen werden.

Nicht spleenig, sondern barock sind die Bilder von La vie en rose, gleichfalls ein Portrait einer jungen Eigenbrötlerin, hier nur ergänzt um die Dimension einer in Schuld und Sühne durchlebten, schwer-katholischen Kindheit.

Mit Eau de la vie steuern die Dark Tales auf ihren vorläufigen Höhepunkt zu. Ein Dinner zu Ehren einer Newcomerin in der Yuppie-Szene entpuppt sich als Initiationsritual beim Eintritt in eine Gesellschaft auf der Suche nach den letzten Kicks – zum Menü: ein Menschenopfer. „Sie tanzen mit unseren schwärzesten Ängsten“, verspricht der Gastgeber. Dasselbe mit uns zu tun, legitimiert durch ein wenig Sozialkritik, wird wohl oberste Absicht von Regisseur Simon Baré sein. Aber zweifellos durchlebt man Eau de la vie zehn Minuten lang mit angehaltenem Atem.

Als Abschluß ein Film für alle: The Lounge Bar. Ein verfilmter Song und ein gesungener Film, den man so oft sehen möchte, bis man den Text mitsingen kann: Deshalb gibt es die Dark Tales wohl auch als Video zu kaufen.

Wappentier der New Zealand Film Commission, die alle diese Filme produziert hat, wie des Staates Neuseeland, ist der Kiwi, ein flugunfähiger Vogel, ein Sonderling der Fauna. Vielleicht ein Zeichen für die Sympathie der Neuseeländer für unangepaßte Helden in sonderbaren und abgründigen Geschichten. Dark Tales sind Filme mit Eigensinn. Birgit Kämper

von Do, 1. August bis Mi, 7. August, täglich 22.30 Uhr, Zeise