„Eltern werden einen Schock kriegen“

■ Nicht fehlende Kita-Plätze sind das Problem, sondern die hohen Gebühren

„Sobald Ende August die Gebührenbescheide für die Kindergärten da sind, werden viele Eltern einen Schock kriegen“, ahnt Karoline Linnert, grüne Abgeordnete der Bremischen Bürgerschaft. Denn für die 14.500 Bremer Knirpse, die jetzt in die Kindergärten ziehen werden, müssen ihre Eltern erstmals Gebühren nach der neuen, von der Großen Koalition beschlossenen Ordnung bezahlen. Zwischen 48 und 619 Mark werden jetzt, je nach der sozialen Lage der Eltern, pro Kind und Monat fällig.

Die 328 Bremer Kindertagesheime halten derzeit 14.600 Plätze bereit, 620 mehr als im vergangenen Jahr.

Bis 1999 will der Senat 44 Millionen Mark investierenund damit weitere 2.300 neue Plätze schaffen. Der morgen in Kraft tretende Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz bereitet deshalb der Bremer Sozialbehörde keine großen Kopfschmerzen. Es seien genug Plätze vorhanden.

Nicht fehlende Plätze, sondern die Höhe der Gebühren sind für die Bremer Grünen das eigentliche Problem. „Die Sätze sind einfach zu hoch und wirken auf viele Eltern abschreckend“, glaubt Linnert. Besonders Familien mit mehreren Kindern und SozialhilfeempfängerInnen werden von der Gebührenerhöhung stark betroffen und könnten sich den Kindergartenplatz kaum leisten. Mittelfristig rechnet Karoline Linnert deshalb ebenso wie zahlreiche ElternvertreterInnen mit einem Rückgang der Zahl der Anmeldungen.

Für ein Kind zahlt das Sozialamt pro Monat 263 Mark Hilfe zum Lebensunterhalt. Rechnet man davon die Mindestgebühr für den Kindergarten ab, bleibe nicht mehr viel für den Lebensunterhalt des Kindes übrig, so Linnert. Auch Familien mit mehreren Kindern, ohnehin in der deutschen Gesellschaft zu den sozial schwachen Gruppen zählend, werden finanziell stark betroffen. Eine Familie mit durchschnittlichem Einkommen und zwei Kindern in den Kindergärten komme auf rund 700 Mark Gebühren, rechnen ElternvertreterInnen vor. Stimmt nicht, sagt Holger Bruns Kösters, Sprecher der Bremer Sozialbehörde. Bis zu einem Netto-Familieneinkommen von 3.000 Mark müsse nur der Mindestbeitrag gezahlt werden. Deshalb käme die Durchschnittsfamilie nicht auf eine solche Gebührenlast. Außerdem seien auch in Grenzfällen Ermäßigungen möglich.

Dem können viele Elternorganisationen wie etwa die Beratungsstelle „Eltern-Kind-Gruppen“ nicht zustimmen. Für sie haben die Gebühren eindeutig abschreckende Wirkung, die auch beabsichtigt sei, um die Zahl der Anmeldungen niedrig zu halten. Einzelne Eltern wollen deshalb laut Karoline Linnert nach dem Erhalt der Ge- bühren-bescheide Ende August Widerspruch einlegen und notfalls vor Gericht ziehen. Dem juristischen Weg räumt Linnert gute Chancen ein, die Erhöhung doch noch zu kippen.

Das sieht Holger Bruns-Kösters allerdings ganz anders: „Wir hätten keine Gebührenordnung beschlossen, die der juristischen Prüfung nicht standhalten würde.“ Natürlich sei die Erhöhung an der Schmerzgrenze ausgefallen, das habe Sozialsenatorin Christine Wischer auch stets eingeräumt. Immerhin sei aber für jedes Bremer Kind ein Platz vorhanden, stellt Bruns-Kösters den positiven Aspekt des Themas Kindergarten heraus. Es gebe allerdings eine Einschränkung: Nicht jedes Kind bekommt den gewünschten Platz. Ganztagsplätze sind rar und , so müssen manche Antragsteller mit Teilzeitplätzen vorlieb nehmen.

Für Bremen liegen noch keine genauen Zahlen vor. In Hannover, einer Stadt vergleichbarer Größe, stehen beispielsweise nur 50 Prozent Ganztagsplätze zur Verfügung. Die Zahl der Elternanträge für diese Plätze liegt weit höher. Resultat: Die Kinder müssen mit einer Teilzeitbetreuung vorlieb nehmen.

Thorsten Marquardt