Kunst kontra Taucher

■ Die Nutzung der Wannsee-Villa des Malers Max Liebermann als Ausstellungsort kommt nicht voran, weil ein Tauchclub das Gelände am Wannsee blockiert

Die Zeit drängt. Noch knapp ein Jahr bleibt bis zum 150. Geburtstag des Malers Max Liebermann (1847 bis 1935). Neben einer Jubiläumsausstellung im Centrum Judaicum in der Neuen Synagoge für den Meister des deutschen Impressionismus soll endlich passieren, was sich viele Kunstinteressierte seit langem wünschen: Die Wannsee- Villa des Künstlers soll als Gedenkstätte öffnen. Ein erst kürzlich gegründeter Förderkreis beruft sich auf die Unterstützung von einem runden Dutzend angesehener Museen und Kulturinstitutionen der Stadt, aber auch in Bremen, Hamburg und New York. Einziges Hindernis: Am großen Wannsee 42 residiert seit über zwanzig Jahren der Deutsche Unterwasserclub Berlin. Für ihn findet sich bisher kein angemessenes Ausweichgrundstück.

„Schloß am See“ nannte Liebermann seinen Sommersitz, eine Mischung aus holländischem Landhausstil und Hamburger Patriziervilla. Seinen Stolz konnte er beim Einzug 1910 nicht verbergen: „Übermütig sieht es nicht aus, aber ich glaube, daß es nach mir aussieht.“ Das Schönste war der Garten. Seine Blumenrabatten, Birkenalleen und Hecken werden wieder und wieder zum Motiv der berühmten Freilichtbilder, die den deutschen Impressionismus in seiner gediegensten Form zeigen. Mehr als 200 Gemälde, unzählige Pastelle und Zeichnungen, sind in der Wannsee-Villa entstanden. Eine Kölner Galerie erinnerte 1992 erstmals nach dem Krieg mit einer Liebermann-Ausstellung vor Ort daran, welches Kleinod die Stadt besitzt.

18.000 Besucher sahen die Ausstellung. Vielleicht habe man sich damals mit der bereitwilligen Öffnung selbst ein „Eigentor“ geschossen, finden die Taucher. Seither würden sie jedenfalls in „unfairer Art bombardiert“. Daß ihr Club eine halbe Ruine übernahm, die sonst wahrscheinlich abgerissen worden wäre, davon rede keiner mehr, ärgert sich Geschäftsführer Winfried Zühlke. Neugierigen, die das Refugium gern mal von innen sehen möchten, bleibt heute der Zugang verwehrt. An warmen Sommertagen herrscht auf der grünen Wiese vor der Terrasse Familienpicknick-Stimmung bei den Tauchern. Eine Idylle, aus der man sich nicht gern vertreiben läßt.

Der „Mangel an kulturpolitischem Bewußtsein“ in der Stadt sollte nicht dem Taucherverein angelastet werden, meint Hans Gerhard Hannesen von der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg, die sich an der Trägerschaft für die Erinnerungsstätte beteiligen will. Allein eine Wiederherrichtung der Gartengestaltung nach alten Plänen kostet nach Schätzungen in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung rund 1,8 Millionen Mark. Im Herbst will man zur Tat schreiten und wenigstens eine Dreiergruppe Birken setzen.

Über die Gelder bei einer Haussanierung wurde im einzelnen noch nicht nachgedacht, sagt die Sprecherin der Liebermann-Gesellschaft, Anna Teut. Die Öffnung eines „Hauses der Bildenden Kunst“ im einstigen Anwesen des von den Nationalsozialisten geschmähten jüdischen Malers betrachtet sie als „Teil der Wiedergutmachung“. Sie ist überzeugt, es finden sich Geldgeber. „Wir werden, wenn nötig, auch betteln gehen.“

Neben der Erinnerung an den Maler geht es gleichzeitig um den Blick auf einen wesentlichen Abschnitt Berliner Kulturgeschichte. Dokumentiert werden soll das Schicksal des Ehepaares Max und Martha Liebermann während des Nationalsozialismus.

Liebermanns Grab ist auf dem Jüdischen Friedhof in der Schönhauser Allee im Bezirk Prenzlauer Berg. Die Entfernung fast sämtlicher seiner Werke aus deutschen Museen bei der nationalsozialistischen Aktion „Entartete Kunst“ mußte er nicht mehr miterleben. Seine Frau Martha entzog sich 1943 der Deportation in ein Konzentrationslager durch den Freitod. Die zwangsverkaufte Wannsee-Villa bekam die Familie 1951 zurück. Irma Weinreich (dpa)