Immer auf die Kleinen Von Michaela Behrens

Was machen eigentlich die armen Kinder, die den Sommer in der Stadt verbringen müssen? Sie demonstrieren. Gegen Zucker in der Vorschule, gegen Wahnsinn im Rind, aber auch gegen wirkliche Mißstände. Den infantilen Demonstranten voran trotten gewöhnlich zwei überheblich dreinschauende Exemplare mit einem putzig bemalten Transparent. Das war mal ein Laken und hat deutlich bessere Tage, schlimmstenfalls die Zeugung eines jungen Randalierers gesehen, bevor erwachsene RädelsführerInnen in Krakelschrift ein Anliegen darauf bannten. Ein bißchen angewidert, aber durchaus bereit, politisches Engagement mit freundlicher Billigung zu würdigen, studiere ich die Aufschrift. „Keine Hundescheiße auf unseren Wegen!

Welche Wege mögen diesen glücklichen Kindern gehören, und warum liegt ausgerechnet dort keine Hundescheiße? Die Botschaft erreicht mich mit Verzögerung – sie wollen nicht, daß Hundescheiße auf öffentlichen Wegen liegt. Spontan möchte ich ihnen erklären, daß das gar nicht ihre Wege sind. Jedenfalls nicht, solange sie keine Steuern zahlen. Doch wer fernsieht, weiß, was für Waffenarsenale bereits Vorschulkinder mit sich führen; also schweige ich und warte ab, ob sie Steine werfen und wenn ja, wie große.

Unruhe befällt den kleinen Mob. Die Stimmung ist gespannt. Dann, plötzlich, Action. Einer reißt seinen Vollkornbrotrucksack vom Rücken und entnimmt ihm einen Schaschlikspieß, den fleißige Hände mit einem bunten Wimpel versehen haben, ähnlich denen, die an flexiblen Stangen an Kinderfahrrädern befestigt sind, um Erwachsenen die Augen auszustechen, während der tüchtige Radler ihnen weiter unten mit seinem Gefährt das Schienbein zertrümmert. Das Kind mit dem Schaschlikwimpel bückt sich und führt den Spieß seinem Zweck zu, während dem staunenden Betrachter klar wird, daß es Kinder wie diese waren, die einst auf Kreuzfahrt gingen, um das heilige Land zu retten. Und man beginnt zu begreifen, warum sie nie dort ankamen: zu viel Kamelscheiße auf ihren Wegen.

Der erste Wimpel flattert stolz im Wind, jetzt kämpfen Kinder und ErzieherInnen Seite an Seite für ihr Ding. Keine Hundescheiße auf ihren Wegen und wenn doch, dann wenigstens bunte! Ein ahnungslos sein Bein hebender Pitbull wird mit Ethnorasseln, Reistrommeln und Trillerpfeifen fertiggemacht, bevor ein militantes weibliches Kleinkind mit nicht geschlechtsspezifischem Erziehungshintergrund blitzschnell eine megahochdrucksupergroße Wasserpumpgun zückt und der Bestie eins aufs Fell brät. Keine Hundescheiße auf unseren Wegen! Ein hehres Anliegen irgendwie, wenn man die gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Schäden bedenkt, die durch solchermaßen kontaminiertes Straßenland jährlich entstehen.

Dagegen muß etwas unternommen werden, jetzt reißt es mich mit. Laßt uns gemeinsam mit allen ElterInnen mehr Wimpelschaschlikspieße machen! Laßt uns Scheiße markieren bis zum Abwinken; wir müssen diese Hunde so beschämen, daß sie die Stadt verlassen! Hunde gehören aufs Land! Und wenn sie nicht freiwillig gehen – na, dann packen wir halt die Kiddies in unsere 50 Millionen Autos und fahren die verdammten Köter einfach platt.