Türkei verlängert Kurdenschutzmandat

■ Alliierte dürfen weiter in Richtung Nordirak starten. Schutz bieten sie kaum

Berlin (taz) – Für die irakischen Kurden heißt es noch einmal aufatmen – jedenfalls bis zum Jahresende. Bis dahin verlängerte am Dienstag abend das türkische Parlament die Stationierungsgenehmigung für Flugzeuge der Golfkriegsalliierten im türkischen Incirlik. Von dort aus überfliegen sie den Nordirak und verhindern, daß irakische Truppen die dort lebenden Kurden attackieren.

Der neue islamistische türkische Regierungschef Necmettin Erbakan hatte im Wahlkampf angekündigt, im Falle eines Wahlsieges die Stationierungsgenehmigung aufzuheben. US-Diplomaten überzeugten ihn nun eines besseren – eine der zahlreichen Spitzkehren Erbakans seit seiner Wahl. In der gleichen Sitzung verlängerte das türkische Parlament auch den Ausnahmezustand in den kurdischen Provinzen der Türkei.

Ohnehin bieten die Flugzeuge der Alliierten den Kurden nur geringen Schutz. Ein Mandat haben sie nur gegen irakische Truppen. Ein Einsatz gegen türkische Truppen, die mehrfach in den Nordirak einfielen, verbietet sich mit Blick auf den Stationierungsort. Daß die Alliierten auch nicht gegen iranische Truppen aktiv werden, erfuhren die irakischen Kurden am Wochenende zum wiederholten Mal.

Mit mehreren tausend Revolutionswächtern und schwerer Artillerie waren iranische Truppen in Irakisch-Kurdistan eingefallen. Ziel der Angriffe, bei der auch die Luftwaffe eingesetzt wurde, waren Lager der Demokratischen Partei Kurdistan–Iran (KDP-I). Diese Lager befinden sich nördlich des 36. Breitengrads und liegen damit innerhalb der Schutzzone für die irakischen Kurden. Die Schutzzone war nach dem Golfkrieg zwischen Alliierten und der irakischen Führung vereinbart worden. Nach iranischen Angaben wurden zwanzig hochrangige Vertreter der KDP-I getötet. Etwa 2.500 Menschen seien vor den Bombardements in die irakisch-kurdische Hauptstadt Arbil geflohen, teilte das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge mit.

Die Gebiete entlang der iranischen Grenze werden größtenteils von der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) kontrolliert, seitdem der irakisch-kurdische Parteienkrieg zu einer Zweiteilung des Landes geführt hat. Zölle, die auf den Grenzhandel zwischen Iran und Irak erhoben werden, bilden die Haupteinnahmequelle der PUK. Sie betragen etwa 50.000 Mark pro Monat. Das monatlich etwa 120.000 Mark einbringende irakisch-türkische Dieselgeschäft wird dagegen von der Demokratischen Partei (KDP) kontrolliert.

Beide Parteien haben den iranischen Einmarsch offiziell verurteilt. Unterdessen hat die KDP die PUK der Kollaboration mit dem iranischen Regime bezichtigt. „Die PUK hat der iranischen Operation zugestimmt“, sagte Hoschjar Sebari vom KDP-Politbüro.

Teheran hat mehrfach Rückzugslager der KDP-I sowie der Komela/Iran in Irakisch-Kurdistan bombardiert. Die KDP-I hatte deshalb ihr Hauptquartier aus dem Grenzgebiet tief ins Landesinnere verlegt. Die iranische Führung verlegte sich daraufhin auf Terroranschläge. Seit 1991 sind in Irakisch- Kurdistan über 80 iranische Oppositionelle bei dem iranischen Geheimdienst zugeschriebenen Attentaten umgekommen. Helen Feinberg