Bonn gefällt Sachsens Solo

■ Hinter den Kulissen beginnt der Poker um die EU-Genehmigung der Subventionen. VW-Konzern verbaut die Millionen und schafft damit Tatsachen

Berlin/Hannover (taz) – Die sächsische Landesregierung fühlt sich weiter voll im Recht und auf der sicheren Seite. Wenn die Europäische Kommission gegen Sachsens Subventionspolitik klagen sollte, würde sie verlieren, sagte der sächsische Wirtschaftsminister Kajo Schommer gestern im Deutschlandfunk. Der EU-Kommission fehle die rechtliche Grundlage. Laut EG-Vertrag dürften in wirtschaftlich besonders benachteiligten Regionen Subventionen fließen, um diese Nachteile auszugleichen, sagte Schommer. Außerdem habe die Brüsseler Behörde „überhaupt keine Kompetenz“ (siehe auch Kasten).

Die sächsische Landesregierung hatte am Montag mitgeteilt, 141 Millionen Mark staatliche Beihilfen an die Volkswagen AG ausgezahlt zu haben. VW will damit seine bereits hochsubventionierten Werke in Mosel und Chemnitz ausbauen. Die EU-Kommission hatte diese weiteren Subventionen bereits Anfang Juli verboten. Von den VW insgesamt zugesagten staatlichen Beihilfen in Höhe von 780 Millionen Mark dürften nur 539 Millionen fließen, teilte die Kommssion den Sachsen mit. Unmöglich, wetterte daraufhin VW, machen wir trotzdem, sagte sich Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf. Von den 141 Millionen der in der vergangenen Woche gezahlten Beihilfen sind knapp 91 Millionen illegal. EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert hatte gestern das Bonner Wirtschaftsministerium und die sächsische Landesregierung aufgefordert, das Geld zurückzuholen. Anderfalls werde er eine einstweilige Verfügung beim Europäischen Gerichtshof erwirken.

Im Bonner Wirtschaftsministerium bleibt man davon ungerührt. Obwohl im Falle einer Klage der EU nicht Sachsen vor Gericht stehen würde, sondern die BRD, vertreten durch das Wirtschaftsministerium. „Wir teilen die Auffassung Sachsens über die angemessene Höhe der Beihilfen für VW“, sagte eine Sprecherin. Lediglich Sachsens Vorgehen sei zu verurteilen. „Wir setzen weiter auf Gespräche mit dem Land und dem Unternemen“, sagte die Sprecherin. Eilig habe das Wirtschaftsministerium es damit aber nicht, da in Brüssel schließlich alle in Urlaub seien. „Die Bundesregierung ist überhaupt nicht daran interessiert, daß Präzendenzfälle geschaffen werden, die anderen als Vorwand dienen könnten, wettbewerbsverzerrende Subventionen zu geben“, sagte Lorenz Schomerus, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, im Info-Radio Berlin.

Keineswegs zurückzahlen will der VW-Konzern jene 90 Millionen an Subventionen, die der Freistaat Sachsen gegen den ausdrücklichen Willen der EU-Kommission an den Automobilbauer überwiesen hat. „Wir haben die rechstgültige Zusage des Freistaates für die Fördermittel zum Aufbau des Werkes Mosel, und wir haben inzwischen das Geld bekommen“, sagte Kurt Rippholz, Sprecher des Volkswagen-Konzerns gestern.

Diese Fördermittel seien nach Auffassung von VW zu Recht ausgezahlt worden und würden bereits von der Volkswagen Sachsen GmbH für Investitionen verwendet. „Alle anderen Fragen sind zwischen Brüssel, Bonn und Dresden zu klären“, sagte Rippholz. An Spekulationen über den Ausgang des Rechtsstreites um die Subventionszahlung werde sich VW nicht beteiligen. Eine Entscheidung des Gerichtshofes sei möglicherweise ohnehin erst in zwei Jahren zu erwarten.

Der Firmensprecher betonte, daß aufgrund der Auszahlung der Fördermittel bereits jetzt Investitionsentscheidungen getroffen worden seien, die sich nicht mehr rückgängig machen ließen. Außerdem könnten Subventionen, die auf Grundlage einer rechtsgültigen Zusage bereits verbaut seien, nicht mehr zurückgezahlt werden. Der Firmensprecher macht damit implizit Vertrauensschutz für die von Sachsen rechtswidrig ausgezahlten 90 Millionen geltend. Laut VW fließen die Fördermittel in eine Endmontage und Lackiererei im Werk Mosel sowie in die Motorenfertigung in Chemnitz. Von einer Verlagerung dieser Motorenfertigung nach Ungarn und in die Slowakei ist inzwischen nicht mehr die Rede. Mit dieser Androhung hatte VW die Auszahlung der Subventionen erreicht. Ulrike Fokken/Jürgen Voges/

Detlef Krell