Potemkinsche Luftreinhaltepolitik

Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann will mit einer Verordnung dem Dreck aus Auspufftöpfen von Autos und Lastern zu Leibe rücken – wenigstens symbolisch  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) – Die Experten haben lange gewartet, die Lobbyisten heftig gerungen. Letzte Woche hat Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) endlich die Verordnung ins Kabinett gebracht, die in Zukunft die Luft in deutschen Städten benzol- und rußärmer machen soll. So wird die Verordnung wenigstens angekündigt. Sie wird nach der Sommerpause im Bundesrat behandelt werden.

In der „Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur 23. BImSCHV“ wird geregelt, unter welchen Umständen die Behörden künftig bei dreckiger Luft Fahrverbote und Verkehrseinschränkungen verhängen können. Die Maßnahmen würden dazu beitragen, „die Belastungen in Straßen und Gebieten, die eine hohe Konzentration von Stickoxid, Ruß und Benzol aufweisen, zu reduzieren“, erklärte Wissmann. Kritiker, wie die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Gila Altmann sehen in der Verordnung eher „ein Stück aus Absurdistan. Der Verwaltungsapparat wird aufgebläht einzig mit dem Ziel, nichts tun zu dürfen.“

Und das funktioniert so: Wenn die Luft in einem Stadtbezirk zu giftig wird, muß das zunächst die zuständige Immissionsschutzbehörde feststellen. Sie muß außerdem festhalten, inwieweit der Dreck aus den Auspuffrohren schuld ist und die Belastung durch Verkehrspolitik reduziert werden kann. Die Umweltbehörde teilt den dreckigen Befund dann der Straßenverkehrsbehörde mit, welche wiederum „nach umfassender Prüfung und Abwägung“ ein Maßnahmenpaket schnüren soll, um die schleichende Vergiftung mit Rußpartikeln, Stickoxiden und dem krebserregenden Benzol abzustellen. Das Paket geht zurück an die Immissionsschutzbehörde, um auf seine Wirksamkeit überprüft zu werden, dann im günstigsten Fall erneut zur Straßenverkehrsbehörde, die es anschließend an verschiedene Abteilungen der Stadtverwaltung, die Polizei, die Industrie- und Handelskammer und die Handwerkskammer zur Kommentierung schickt. Sollte die gesundheitsschädliche Luft bis dahin immer noch nicht verflogen sein, könnten jetzt Fahrverbote, Umleitungen und Tempolimits folgen.

Aber nur ausnahmsweise: Geschwindigkeitsbegrenzungen, Verkehrslenkung und Verkehrsplanung haben erstens Vorrang vor Fahrverboten. Von den Fahrverboten gar prinzipiell ausgenommen sind Autobahnen. Bei Bundesstraßen dürfen Einschränkungen nur nach Zustimmung einer Landesbehörde erlassen werden. Sogenannte unabweisbare Verkehrsbedürfnisse können selbstverständlich nicht eingeschränkt werden. Verbote um Umleitungen sollten nur kurz gelten.

Was alles unter die Kategorie „unabweisbar“ fällt, regelt die Verordnung unter Punkt 4 und 5. Anlieger haben danach ohnhin ein unabweisbares Interesse. „Die Zu- und Abfahrt mit dem Kraftfahrzeug zugunsten der Nutzungsberechtigten eines Grundstücks im Maßnahmengebiet ist im Kern zu gewährleisten“, heißt es im besten Beamtendeutsch. Auch Autos mit geregeltem Katalysator dürfen weiterfahren. Weitreichende Ausnahmen gelten außerdem für den öffentlichen Nahverkehr, den Wirtschaftsverkehr und Taxis. Nur die Pendler, die von vorherigen Verordnungsentwürfen explizit geschützt worden waren, haben diesen Schutz jetzt verloren.