Sommerakademie
: Vertollschockt

■ Über ein trutschiges Finale, das diese Vortragsreihe nicht verdient hat

In verändertem Ambiente präsentierte sich die Evangelische Akademie am Mittwoch abend zur Abschlußveranstaltung der 15. Hamburger Sommerakademie (Titel: „Spielräume – Stadtansichten – Lebensräume“): Lose im Raum verteilte Tischchen sollten den an Stuhlreihen gewöhnten Besuchern schon optisch das Gefühl vermitteln, hier geschehe Außergewöhnliches. Und so kam es auch.

Angekündigt war der Abend als „Happening“ – erstaunlicherweise, sollte doch im Zeichen der Stadtentwicklungs-Weltkonferenz „Habitat II“ die weniger happeninggeeignete hamburgische Stadtplanung betrachtet werden. Aber eben mit „Leichtigkeit und Lust“, so Ulrike Eggers in ihrer allerdings wenig lockeren Einleitung des Abends. Auch ihre naiv-überflüssige Forderung nach „Gerechtigkeit“ und die eher krampfig vorgebrachte Hoffnung, es möge „ein Funke überspringen“, warfen bereits dunkle Schatten auf den weiteren Verlauf der Abschlußkundgebung.

Übrigens sollten „mit Absicht“ nur Frauen referieren – was genau zu dieser Absicht bewog, blieb ein Geheimnis, welches vielleicht eine ansonsten fehlende Spannung erzeugen sollte. Denn dröge wurde es schon ein wenig, als anschließend Elke Pahl-Weber „frische Eindrücke“ von der „Habitat II“-Konferenz, deren Teilnehmerin sie war, vermitteln wollte. Trocken berichtete sie von der Verstädterung der Welt und den wenig bewegenden Maßnahmen, die die daraus folgenden Probleme reduzieren sollen. Außerdem lobte sie ausführlich Bauminister Töpfer (weil er ein „Nationalkomitee für „Habitat II“ gründete“) und rief in klassisch feministischer Manier zu „kräftiger Lobbyarbeit“ aller Frauen auf. Zum Schluß stellte sie fest, daß auch der neue Hamburger Stadtentwicklungsplan, man werde schon sehen, einfach okay sei.

Nach ein paar Zuschauerzwischenfragen („Ich hab' da 'n paar Probleme...“) sollte es – zur ordentlich geregelten Abwechslung innerhalb dieses heißen Happenings – ein wenig gepflegte Unterhaltung geben, und zwar mit zwei langweiligen Performerinnen, die sich scherzhafterweise Die Artischocken nennen. Allerdings schockten sie höchstens durch ihre Artigkeit, was sich wiederum weniger schockte. Es sei denn, man stand auf peinliches Gerappe und Topfschlagen, welches das originelle Thema „Streß in der Stadt“ illustrieren sollte. Das war stressig.

Anschließend durfte Christina Alio-Neumann von der „African Women's Association Hamburg“ ans Mikrofon, die von Teilen des politisch korrekten Publikums beinahe schon für den Satz „Ich komme aus Nigeria“ beklatscht wurde. Mit neuartigen Einsichten und Erkenntnissen konnte sie aber leider nicht aufwarten. Aussagen wie „Die Erde ist eine Welt für alle und ich bin ein Teil von dieser Erde“ verfügten zwar über potentielle Happening-Qualität, nervten aber doch ziemlich ob ihrer Schwammigkeit. Ebenso wie die wichtigen Informationen, daß Familienmitglieder in Afrika einander traditionell helfen oder daß die Lebenshaltungskosten in Deutschland höher sind als in Afrika. Altbekannteste Problematiken wurden da nochmals durchgekaut.

Nett war es jedoch, in den Räumen der Evangelischen Akademie zu vernehmen, daß gerade die Kirche kontraproduktiv für die afrikanische Frauenarbeit in Hamburg sei, da sie Probleme mit einer „Gott regelt schon alles“-Attitüde vom Tisch schiebe.

Gäbe es einen Gott, hätte er vielleicht auch ein erneutes Erscheinen der unsäglichen Artischocken verhindert. Danach gab es endlich eine Pause, die zuvor angekündigt wurde mit der gruppendynamischen Hoffnung, in ihr möge „nicht Ausgedrücktes ausdrückbar“ gemacht werden. Ausdruck verlieh hingegen der Verfasser seinem Wunsch, diesem Ort spießigen Problembewußtseins zu entkommen, indem er ihn verließ.

Eigentlich schade, daß es so enden mußte – waren der unspannenden Außergewöhnlichkeit doch seit dem 21. Juni dreißig Vorträge vorausgegangen, die das Thema Stadtentwicklung von verschiedensten Perspektiven aus beleuchteten und tatsächlich interessante Einsichten ermöglichten. Gedanken und Präsentationen von Stadtdenkern unterschiedlichster kultureller Beheimatung – Oberrabbinern, Professoren, Literaten – erzeugten ein Gesamtbild stadtspezifischer Beobachtungen, welches ein etwas entspannteres und einfallsreicheres Abschlußhappening verdient gehabt hätte.

Christian Schuldt