taz-Serie Männerliteratur satt Bremer Buchläden fürs Besondere (3): Die Humboldt-Buchhandlung bietet Belletristik und Krimis für Schwule

„Mein Freund Kaj ist Arzt, hat zwei Kids und, ganz klar, kommt deswegen herzlich wenig zum Lesen. Für den suche ich ein dünnes Büchlein zum Thema Liebe. Ja, gut lesbar soll es sein, amüsant geschrieben und anspruchsvoll. Welcher Titel? Keine Ahnung.“ Mit solch ahnungslosen Kundenwünschen hat das Dreigestirn der Humboldt-Buchhandlung am Ostertorsteinweg Erfahrung.

Die Frage nach einem Buch vom „Pastor von Chicago“, gemeint war der Bürgerkriegsroman „Doktor Schiwago“ des russischen Autors Boris Leonidowitsch Pasternak, kursiert inzwischen als Kalauer im Team. Jeden Tag gebe es verwirrte Titelbeschreibungen, erzählen die belesenen Insider, die hohlspiegelreif seien.

Daß die Kunden deswegen keineswegs arrogant belächelt werden, ist selbstverständlich für Buchhändlerin Heidi Schnautz, übrigens eine von Bremens besten Geschichtenerzählerinnen. Wenn jemand nicht Bescheid weiß, legt sie erst recht los. „Wir verkaufen nicht nur Geschichten, wir müssen auch Geschichten erzählen“, sagt die Buchhändlerin. „Sonst könnte ich ja gleich nebenan Brötchen verkaufen.“

Um so schöne Kurzgeschichten zu erzählen, müssen die drei Humboldt-BuchhändlerInnen leidenschaftlich viel lesen. Ohne im Bett geschmökert zu haben, erzählt Krimiexpertin Schnautz bei einer Zigarette in der elendig engen Teeküche, könne sie nicht mehr einschlafen. Schon als kleines Mädchen war sie berühmten Autoren im elterlichen Hotel in Neuwied am Rhein begegnet, die dort auf dem Weg zum Luchterhand-Verlag abgestiegen waren. Heute saugt sie zwei bis drei Bücher pro Woche ein, darunter ge-betsmühlen-artig Klassiker wie Goethes „Wahlverwandtschaften“ und Dantes „Göttliche Komödie“.

Redelustig gibt sie ihr Wissen in dem gerademal 65 Quadratmeter großen Laden weiter, in dem selbst die designten Lampen an aufgeschlagene Bücher erinnern und in Schubladen Lesebrillen auf vergeßliche Kunden warten. Belletristik ist das Spezialgebiet des Geschäfts, dessen Name indes ganz lapidar von der einst geplanten Adresse in der Humboldtstraße abzuleiten ist. Ein Lager gibt es nicht. Etwa 10.000 Bände stehen in den Regalen. Darunter gerade auch inhaltlich anspruchsvolle und liebevoll aufgemachte Bücher von Kleinverlagen wie Wagenbach und dem Unionsverlag, die die Humboldt-Buchhandlung emsig unterstützt.

Doch wo KäuferInnen so wortreich über Trends in der schöngeistigen Literatur informiert werden und Belletristik die Hälfte des Umsatzes ausmacht, gibt es auch anderes. Im hinteren Teil des kürzlich mit Buchenholz aufgepeppten Geschäfts finden sich Medizinbücher und – dezent präsentiert und einzigartig in Bremen – ein sattes Angebot an Männerliteratur.

Zwei Regale voll „schwulem Sortiment“ hat Peter Christoffersen, zuvor Verwaltungsbeamter und später Lehrer, zusammengetragen. Zwischen Schwarzweiß-Postkarten von schönen Männern stehen Bildbände, Ratgeber, Romane und Krimis für Schwule.

Daß diese Regale mit dem Etikett „Männer“ gut und gerne übersehen werden, ist Programm. „Leute kurz vor dem Coming out hätten sonst Herzklopfen, wenn sie vor dem Regal stehen“, kommentiert der Experte für Exil- und Männerliteratur. Und sein einfühlsames Konzept hat Erfolg. Unter den etwa 40.000 verkauften Büchern pro Jahr finden sich immer wieder der eine oder andere Fotoband von Männern für Männer und das Sachbuch „Schwul, na und?“

Sabine Komm

Humboldt-Buchhandlung, Ostertorsteinweg 76, Mo-Fr 10-18 Uhr, Sa. 10-14 Uhr