Widerspenstige werden zum Präfekten einbestellt

■ Nigers Militärherrscher dulden keinerlei Proteste gegen ihre Wahlfälschung

Berlin (taz) – Mamane Abou hat die Staatsmacht in Niger von ihrer unangenehmen Seite erlebt. „Ich schlief friedlich zu Hause“, berichtet er der taz über die Nacht vom 20. auf den 21. Juli. „Um sechs Uhr früh kamen fünfzehn Polizisten herein, bewaffnet bis an die Zähne, und nahmen mich mit.“ Dann brachten sie ihn in eine Polizeistation der nigrischen Hauptstadt Niamey.

Abou hatte Glück. Die Offiziere schoren ihm den Kopf und ließen ihn am Abend wieder laufen. Schließlich ist er Herausgeber von Le Républicain, einer der einflußreichsten Zeitungen des Landes, und Angehöriger eines alten Tuareg-Familienclans, zu dem auch Hamid Alghabed gehört, der als Generalsekretär der „Islamischen Konferenzorganisation“ von Nigers Regierung als Nachfolger Butros Ghalis an der Spitze der UNO vorgeschlagen worden ist.

Andere kamen weniger glimpflich davon. Abou zählt weitere prominente Nigrer auf, die verhaftet und in eine Militärbasis nördlich von Niamey gebracht worden seien: Ex-Außenminister Mohamed Bazoum, Ex-Gesundheitsminister Ankouraou Kalla, Journalisten und Parteiaktivisten. Manche hätten Scheinhinrichtungen erlitten: Man schert dem Gefangenen den Kopf, verbindet seine Augen, fesselt ihn an einen Pfahl, gibt den Schießbefehl – und läßt danebenschießen. „Sie haben nichts zerstört, sie haben nicht demonstriert“, sagt Abou über die Inhaftierten. „Sie haben nur gesagt, daß sie nicht mit der Bestätigung der Wahlen einverstanden sind.“

Die Präsidentschaftswahl vom 8. Juli, die Niger nach dem Militärputsch von Präsident Ibrahim Baré Mainassara im Januar zurück zur Demokratie führen sollte, hat das Land von rechtsstaatlichen Verhältnissen eher noch weiter entfernt. Während der Wahl hatte der Präsident die unabhängige Wahlkommission aufgelöst; eine Geheimauszählung durch Soldaten bescherte ihm eine absolute Stimmenmehrheit von 52 Prozent. Es folgten massive Proteste der vier Gegenkandidaten, die von einer „gigantischen Fälschung“ sprachen und prompt unter Hausarrest gestellt wurden.

Frankreich gratuliert, USA streichen Hilfe

Unabhängige Beobachter schlossen sich dem Protest an. Das US- amerikanische „National Democratic Institute“ (NDI) von Jimmy Carter meldete, seine eigenen Zahlen würden Baré Mainassara eigentlich nur 29 Prozent der Stimmen geben. Dennoch wurde Mainassaras Sieg am 21. Juli – dem Tag von Mamane Abous Verhaftung – vom Obersten Gericht bestätigt.

Damit ist Präsident Baré Mainassara jedoch erst recht in Bedrängnis geraten. „Die Bestätigung der Wahlergebnisse“, reagierte das US-Außenministerium, „ändert nicht die Ansicht der Vereinigten Staaten, wonach der Wahlprozeß manipuliert wurde.“ Es kündigte einen sofortigen Stopp der US-Entwicklungshilfe an. Die politischen Parteien Nigers forderten gemeinsam eine Wahlwiederholung unter internationaler Aufsicht.

Lediglich Frankreichs Präsident Jacques Chirac gratulierte Mainassara zu seinem Sieg und wünschte, daß sich die „engen“ bilateralen Beziehungen „in allen Bereichen vertiefen“. In Paris herrscht offenbar der Wunsch vor, eine Rückkehr zu den instabilen Verhältnissen vor Mainassaras Putsch müsse vermieden werden. Die Zeitung L'Indépendant aus dem benachbarten Burkina Faso analysiert die französische Position so: „In einem Niger im Tuareg-Aufstand, an den Grenzen zu Libyen und Nigeria, Riegel des französischen Hinterhofs gegenüber der islamistischen Bedrohung und dazu noch ein Land mit Uran, darf man nicht mit dem Feuer spielen.“

Ob daraus das Recht zur Unterdrückung von Opposition abgeleitet werden kann, bleibt dahingestellt. Nigers Militärmachthaber jedenfalls verstehen die Aufregung nicht. „Es gibt keine Verhaftungen“, erklärte der Militärpräfekt der besonders unruhigen Stadt Zinder vergangene Woche. „Ich bestelle bekannte Widerspenstige zu mir und stelle sie zur Rede.“ Dominic Johnson