Lieblingssozi von „Bild“ und Waigel

Halbzeit der SPD-Alleinregierung in Niedersachsen. Ministerpräsident Gerhard Schröder hat außer rechten Sprüchen nichts vorzuweisen. Er macht der CDU das Leben schwer  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Der Ministerpräsident mit dem Macherimage hätte in den vergangenen zwei Jahren zeigen können, was in ihm steckt: Solange regiert Gerhard Schröder schließlich schon ohne Koalitionspartner über Niedersachsen, ist allein auf eine durchaus folgsame SPD- Landtagsfraktion angewiesen. Doch die Halbzeitbilanz, für die er zu rot-grünen Zeiten noch eine 200 Textseiten umfassende Loseblattsammlung erstellen ließ, fiel diesmal ins Wasser.

„Seit die Faszination des Medienereignisses Schröder nachgelassen hat, wird hinter der Fassade viel Leeres sichtbar“, findet der Grünen- Fraktionsvorsitzende Pico Jordan. Die Staatskanzlei verweist zur Halbzeit auf eine kleine Broschüre der SPD- Landtagsfraktion: „Am Sparkurs führt kein Weg vorbei.“ Gerade auf seine Sparpolitik, die ihm bundesweit Negativschlagzeilen einbrachte, ist Gerhard Schröder stolz. Die Einschnitte, die anderen Bundesländern noch drohen, will Niedersachsen bereits hinter sich gebracht haben. Ein grundsätzlich festgeklopfter Doppelhaushalt für 1997 und 1998 soll für den Rest der Legislaturperiode Ruhe schaffen. Vor allem Schulen, Hochschulen und sozial Schwache hat Schröder beim Kürzen nicht geschont. Nach Meinung des Grünen-Fraktionssprechers Jordan hat er „alle gegen sich aufgebracht“. Doch wohl nur ein bißchen.

Die großen Protestdemonstrationen rund um den Landtag, denen sich Schröders CDU- Amtsvorgänger Ernst Albrecht bei Haushaltssanierungen gegenübersah, sind ausgeblieben. Auch die Grünen wollten sie nicht so recht: Der Abgeordnete Jürgen Trittin plante, kurz vor seinem Abgang in den Parteivorsitz, die Grünen an die Spitze einer Anti-Einspar- Kampagne zu stellen. Doch schon damals verweigerte ihm die Landtagsfraktion die Gefolgschaft. Dem Grünen-Vorwurf der „Leere“ stellt die Staatskanzlei die „zahlreichen in zwei Jahren verabschiedeten“ Gesetze entgegen. Durch Änderung des Schulgesetzes wurde aus der bisher dreistufigen Schulverwaltung eine Ebene herausgestrichen. Eine Polizeireform hob die bisherige Trennung zwischen Kriminal- und Schutzpolizisten auf. Letztere ermitteln jetzt ebenfalls im Dienste der Staatsanwaltschaften, die seither über schlampige Ergebnisse klagen.

Sozusagen als gesetzgeberisches Highlight hat Schröder gegen Widerstände in der SPD eine Reform der Kommunalverfassung durchgesetzt. Sie hebt das Nebeneinander von ehrenamtlichen Bürgermeistern und angestellten kommunalen Verwaltungschefs auf. Dafür hat er sogar die Absenkung des Kommunalwahlalters auf 16 Jahre mitgetragen. Am 15. September wird nun bereits ein Teil der Landräte und Bürgermeister direkt gewählt, auch der Oberbürgermeister von Hannover. Der neue Wahlmodus, der nötigenfalls einen zweiten Wahlgang vorsieht, wie in Bayern, ist für Schröder nicht risikolos: Schließlich war es die niedrige Wahlbeteiligung der SPD-Klientel im zweiten Wahlgang, die die bayerischen Kommunalwahlen für die Sozialdemokraten zum Debakel machten.

Mangels Inhalten setzt die SPD in dem nun beginnenden Wahlkampf auf Personalisierung. Erstmals hat sie auch für eine Kommunalwahl eine einheitliche Plakatkampagne vorbereitet. Ernst soll Schröder allerorten dreinblicken, passend zu dem dem Slogan: „Erst die Arbeit“. Das im Volksmund sich daran anschließende Vergnügen entfällt. Gerhard Schröders Popularitätswerte haben durch die Trennung von Ehefrau Hiltrud kaum gelitten. Und wenn er beim Hamburger CDU-Wirtschaftsrat als Gastredner auftritt, ist der Saal voll mit Christdemokraten und Unternehmern. Der Ministerpräsident hat sich als Lieblingssozi des rechten Lagers etabliert, und genau das ist ein Problem für die niedersächsische CDU und ihren noch jungen Vorsitzenden Christian Wulff.

Wenn Schröder „Frauen ans Gewehr“ fordert, kann Wulff nur nachziehen. Schröder kürzt, und Wulff kann nur noch einschneidendere Kürzungen fordern. Der CDU-Landeschef warnt vor Kriminalität und Chaos, die SPD-Regierung verschärft Verfassungsschutz- und Polizeigesetz. Schröder läßt im Wendland und zu den Chaos-Tagen die Polizei in nicht bekannten Massen aufmaschieren. Sozialpolitisch schwimmt er im neokonservativen Mainstream. An der im Landesdienst wiederauferstandenen 40-Stunden-Woche waren die Gespräche für ein Bündnis für Arbeit in Hannover eher geplatzt als in Bonn. Während Oskar Lafontaine noch die sozialgerechten Einsparungen bemüht, hat Schröder längst die Vermögenssteuer abgeschrieben und festgestellt, daß „der Staat nicht mehr für jede Randgruppe da sein kann“. Mit sichtlichem Vergnügen wurde er denn auch vom CSU- Vorsitzenden Theo Waigel als SPD-Kanzlerkanidat empfohlen. Die Bild am Sonntag trieb vier SPD-Bundestagsabgeordnete auf – drei Wehrexperten und einen aus dem Seeheimer Kreis –, die Schröder für den idealen Kandidaten halten. Er hält sich an das Stillschweigegebot in Sachen Kanzlerkandidatur. Und dankte der Zeitung: mit einer exklusiven Klatschgeschichte aus dem Urlaub.