Paula liebt Panda – noch

Bunt ist er, groß und teuer und bald schon Symbol uncooler Kindlichkeit: Das tragische Schicksal des gemeinen Leichtschulranzens  ■ Von Philip Banse

Die Norm hinter dem Kürzel DIN 58124 definiert, was Schulanfänger in diesen Tagen straucheln läßt, sobald sie laufen wollen. Die Norm legt fest, womit ein Schulkind erst zum Schulkind wird. Und sie erklärt etwas zur industriellen Größe, durch das sich jeder Viert-kläßler zum Erstkläßler degradiert fühlt – den gemeinen Leichtschulranzen.

Bunt soll er sein, und 20 Prozent seiner Fläche müssen leuchten, wegen der Sicherheit. Die schwache Muskulatur der Kleinen verlangt nach kreuzschonender Rückwand und geringem Gewicht. Pausenbrot und Malheft dürfen bei „Normregen“ in nicht mehr als zehn Milliliter Wasser schwimmen. Der DIN-Tornister ist ein Konsensmodell. In ihm vereinigen sich Sicherheitsdenken der Eltern und Modebewußtsein der Eingeschulten. „Nautico“, „Wild life“ und „Formel 1“ heißen die poppigen und voluminösen Renner bei Jungs in diesem Sommer, berichtet Max Schallenberg von Karstadt. „Mädchen“, ist der Tornister-Experte überzeugt, „mögen lieber weiche Themen: Panda und Moby Dick.“ An den massigen Ausmaßen der Teile stört sich niemand. Denn für Jungs wie für Mädchen gilt: Groß macht, was groß ist.

Vier Jahre später seien die robusten Plastikkoffer mit verstellbaren Tragegurten nur noch „Babykram“, sagt Elisabeth Hesse-Gisch, Mutter von vier Kindern. Spätestens nach der Grundschule wird es den meisten Kids zu bunt: Was in diesen Tagen die Brüstchen von schneidezahnlosen Neulingen vor Stolz anschwellen läßt, wird mit der Pubertät schnell zum Makel, stuft herab, macht wieder zum Schulanfänger. Ein wippender Tornister, auf dem Hänsel und Gretel Händchen halten, ist schlicht uncool.

Dabei machen die High-Tech-Ranzen bei Erst- und Zweitkläßlern durchaus Sinn, weil deren Rücken noch leicht zu deformieren ist. Daß Schulranzen enorm verbessert wurden, anerkennen sowohl Monika Nief, Schulärztin beim Bezirksamt Mitte, als auch die Stiftung Warentest. Wenn die Tornister allerdings nur locker über der Schulter hängen, bringt auch das beste Tragesystem nur krumme Rücken, weiß die Ärztin.

Für Ökologen sind die genormten Ranzen in erster Linie Sondermüll. Signalbeschichtung und Griffe sind oft aus PVC, giftig und nicht wiederzuverwerten. Zurück zum Ränzel aus Fell, das schon der Soldat im Dreißigjährigen Krieg schulterte? Zurück zum soldatischen Urvater aller Schultertaschen, Ranzen und Tornister? Manch werdender Sextaner fände das fesch. „Leder und Leinen“, sagt Max Schallenberg, seien nach der Grundschule die angesagten Materialien. Logisch! Wie durch Butter zieht sich der Kuli über die Ledertasche und hinterläßt den Schriftzug der Lieblingsband. Nichts eignet sich dafür so gut wie Leder, das so braun und faltig ist, als trage man die Tasche schon zwanzig Jahre mit sich herum.

Leider gelten Aktentaschen und lässige Rucksäcke als Rückenkrümmer. Öko-Tornister aus Wollfilz und Recycling-Pappe sollen geringes Gewicht und korrekten Sitz mit einer guten Ökobilanz verbinden. Bis zu 280 Mark, gut 100 Mark mehr als die Top-Modelle der Plastikfamilie, kostet so ein Naturranzen.

Der Wollfilz-Tornister, für manche der pure Luxus, ist für Rudolf-Steiner-Aktivisten Ausdruck ihrer Identität. Ursula Lehnen von der Rudolf-Steiner-Schule in Nienstedten: „Unsere Kinder wollen ja nicht mal –ne Plastiktüte!“