Ist dieses Buch noch aktuell?

■ Von den Problemen vielgelesener Reiseführer, richtig zu informieren. Eine Besprechung der Reisebücher aus dem Gisela E. Walther Verlag

Seit 1982 gibt der Verlag Gisela E. Walther aus Bremen Übersee- Guidebooks für rucksackreisende Individualtouristen heraus. Die Palette reicht von Indonesien über Namibia bis hin zu Costa Rica. Mehr als 20 Bände voller praktischer Tips und handfester Informationen liegen mittlerweile vor. Das Besondere am Verlagsprogramm ist, daß es sich, von einigen Eigenproduktionen abgesehen (Namibia, Costa Rica), vorwiegend um ein Lizenzprogramm handelt. In erster Linie bringt der Walther Verlag Produktionen des australischen Verlags Lonely Planet in deutscher Übersetzung auf den Markt. Das Problem dieser Verlagspolitik liegt darin, daß die Reiseführer, obwohl sie alle drei Jahre überarbeitet werden, teilweise veraltet und daher weniger zuverlässig sind als Eigenproduktionen.

So sieht sich der Verlag im Vorwort des „Mittelamerika-Handbuchs“, der Lizenzausgabe des australischen „Central America shoestring guide“ gezwungen, auf dieses Problem hinzuweisen und zu fragen: „Ist dieses Buch noch aktuell?“ Die Antwort lautet nein. Der Herausgeber hat die Entschuldigung parat: daß „die ständige Veränderung auch Mittelamerika erfaßt hat“, schließlich herrsche überall, wo Menschen zusammenleben, Wandel und Bewegung, insbesondere dort, so der Originalton, „wo die ,Zivilisation‘ das Zusammenleben bestimmt“. Soll heißen: „Unseren Bemühungen, dieses Buch so genau wie möglich zu gestalten, (sind) Grenzen gesetzt. Denn laufend verändern sich Daten und Fakten, die ... für den geplanten Reiseverlauf aber von großer Bedeutung sind.“

Richtig! Deshalb zur Information: Der Reisende muß auf einen „Bananenzug“ in Costa Rica ebenso verzichten wie auf den „berühmten alten Personenzug“ zwischen Panama-Stadt und Colón. Ein für allemal: Beide Linien sind eingestellt und endgültig verrottet, trotz der „Reparaturarbeiten“, die bei „Drucklegung dieses Buches noch andauerten“.

Daß die Abfahrtszeiten mittelamerikanischer Überlandbusse über Jahre hinweg nicht dieselben sind und die Hotelzimmerpreise in inflationsgeplagten Ländern ebenso einer Veränderung unterliegen wie die Eintrittspreise für Nationalparks, dürfte auch dem einfältigsten Leser einleuchten. Vielleicht folgt er ja deshalb der Bitte des Verlags und schickt einen Brief, um dem Herausgeber mitzuteilen, daß der Eintritt für einen Nationalpark in Costa Rica nicht 1,50 $, sondern 6 $ kostet oder daß das Hotel Granada in Tegucigalpa mitnichten 6,70 $ für „ein Dreipersonenzimmer mit zwei Betten“ verlangt, sondern erheblich mehr? Die übertriebene Zahlenspielerei mit Preisen und Tarifen ist äußerst fragwürdig. Was aber weiß der naive Leser nach der Lektüre des Vorworts wirklich? Daß er eine „zivilisierte“ Region bereist. Was heißt das? Daß es öffentliche Verkehrsmittel gibt, daß er sich nicht auf dem Rücken eines Maultiers fortbewegen muß?

Mulmig wird dem unbedachten Leser wohl bei dem Satz in der Einführung: „In Mittelamerika bestehen in der Tat politische Konflikte, die zu bewaffneten Auseinandersetzungen eskalieren können.“ Sofort assoziiert er: „Somoza-Contra-Sandinista, Romero-Guerillero-Castro!“ Zum Glück aber ist es „nicht sehr wahrscheinlich, daß man als Tourist in Kämpfe verwickelt wird“, so die Beschwichtigung der Autoren. „Die Konflikte werden zwischen inländischen Gegnern ausgetragen, wobei sich die Gewalt normalerweise nicht gegen Ausländer richtet.“ Und der Leser atmet auf und mag denken: „Eben ganz anders als in Deutschland!“ Klaus Jetz

Tom Brosnahan u.a., „Mittelamerika-Handbuch“, Verlag Gisela E. Walther, Bremen 1995, 592 Seiten, 29,80 DM