■ Schöner leben
: Stadt Land Flucht

Kaum wird es richtig Sommer und die ersten Schwitzflecken ätzen sich ins Hemd, denkt es sich allenthalben gar zwanghaft: Aufs Land ziehen, das wär's. Hach!

Nur hat kaum jemand eine Ahnung, was das heißt: auf dem Land leben. Hiermit verkünde ich, was das heißt: Man muß im zwangsweise verteilten Anzeigenblatt namens „Vereinsblatt im Kreis Rotenburg“ zur Kenntnis nehmen: 10 JAHRE KBS-SKIFREIZEIT IN SAALBACH-HINTERGLEMM. Seite 1, Aufmacher. Wie überlebt man solche Headlines? Lohnt es sich, sie zu überleben? Angesichts der Anzeige im zwangsweise verteilten Anzeigenblatt namens „Anzeiger“, wo für eine Veranstaltung in Karlshöfenermoor geworben wird: „Fleischpreisskat (Schinken- und Kotelettstränge)“. Man möchte schreiend davonlaufen aus einer Gegend, wo man Menschen mit Kotelettsträngen als Fleischpreis ködert.

In der Stadt aber, da weht der Geist und nicht das Fleisch, da wabert Freiheit statt Freizeit. Da hat sogar die Polizei Ideen. Toter lag wochenlang unentdeckt in der Wohnung. Die Kriminalpolizeiliche Beratungsstelle am Wall informiert: „Viele Bürger denken an solche Schlagzeilen, wenn es um Nachbarschaft geht.“ Die KBS möchte Nachbarschaft anders definieren: „Blumen gießen, Briefkasten leeren, Rolläden betätigen.“ Wer sich für eine Nachbarschaft im Sinne der KBS interessiert, bestelle unter 362-19003 den gelben Aufkleber „Vorsicht! Wachsamer Nachbar“ (für Haustür und Briefkasten).

KBS? KBS??? Saalbach! Hinterglemm!!! Ach so: Zehn Jahre lang war die Kriminalpolizeiliche Beratungsstelle auf Skifreizeit – und heraus kam ein Aufkleber. Wohin fliehen?

Burkhard Straßmann