Dublin wird Olympiastadt Von Ralf Sotscheck

Was vier olympische Medaillen alles anrichten können: Irlands Goldhamster Michelle Smith war noch nicht aus Atlanta zurück, da verloren die Politiker in der Heimat schon reihenweise den Verstand. Bei einer Parlamentssitzung, die im Fernsehen übertragen wurde, übertrumpften sie sich gegenseitig bei der Huldigung der Schwimmerin. „Das sollte für jeden eine Lehre sein“, fistelte Premierminister John Bruton, „wenn man entschlossen ein Ziel verfolgt, kann man es auch erreichen.“ Oppositionsführer Bertie Ahern bezeichnete Smith gar als „Golden Girl“, was er aber in Anbetracht der geriatrischen Fernsehserie später zurücknahm.

Und Mary Harney, die Chefin der gebeutelten Progressiven Demokraten, witterte Morgenluft. „Ihr Erfolg ist ein gutes Zeichen für die Wahlen im nächsten Jahr“, meinte sie, „und ganz besonders für mich, wie ich hoffe, weil die Frauen neuerdings besser abschneiden als die Männer.“ Will Harney etwa schwimmen lernen? Eigentlich müßte sie es längst können, wenn man die Auftritte ihrer Partei im Parlament betrachtet. Selbst der britische Premierminister John Major wollte die Gunst der Stunde nutzen. „Auch wir jubeln ihr begeistert zu“, behauptete er mit Blick auf die irischen Emigranten, die in Großbritannien stimmberechtigt sind.

Am schlimmsten hat es freilich Gay Mitchell erwischt, Staatssekretär für europäische Angelegenheiten. Sein Bruder Brendan, ebenfalls Politiker, gilt als das kleinere Übel, Gay ist dagegen der üblere Kleine. Er will die Olympischen Spiele demnächst nach Dublin holen und glaubt, die irische Hauptstadt habe bessere Chancen als jede andere europäische Stadt. „Es ist an der Zeit, daß die professionellen Pessimisten aufhören, sich darüber lustig zu machen“, schimpfte er.

Selbst die Gaelic Athletic Association (GAA), jener zutiefst konservative Sportverband, der mit Argusaugen über die Reinheit der traditionellen Sportarten Gaelic Football und Hurling wacht, ließ sich von Mitchell einlullen. Natürlich würde man das Dubliner Stadion Croke Park, das gerade mit einem Haufen Steuergelder modernisiert wird, für Olympia zur Verfügung stellen, sagte GAA-Direktor Liam Mulvihill. Notfalls würde man sogar eine temporäre Aschenbahn anlegen. Über andere Sportarten breitete er jedoch den Mantel des Schweigens. Bei der GAA ist die Meinung weit verbreitet, daß Fußball ein Garnisonssport ist und ebenso wie Cricket, Rugby und Tennis nur von englischen Barbaren gespielt wird. Auf dem heiligen Rasen des Croke Park hat man solches Treiben noch nie geduldet.

So wie die USA Strandprellball aufs Programm gesetzt haben, könnten die Iren ja kurzerhand ein paar Disziplinen streichen, höhnte ein Politiker, der ungenannt bleiben möchte. „Eine olympiareife Sporthalle gibt es in ganz Irland nicht, also fallen schon mal Basketball, Handball, Turnen, Fechten und so weiter weg“, sagte er. „Schwimmen wird auch gestrichen, weil wir keine 50-Meter- Bahn haben. Bleiben Gaelic Football und Hurling als neue olympische Sportarten. Das könnten die erfolgreichsten Spiele aller Zeiten für Irland werden.“ Und die kürzesten. „Das ist eine liberale Demokratie“, ärgerte sich Mitchell. Da könne jeder seine Meinung sagen.