Agenten im WWW

■ Netzwerktechnisch völlig bizarr: Das Internet als Kleindarsteller im Mainstream-Kino Marke Hollywood

Seit 1995 hat Hollywood einen Internet-Anschluß. Im vergangenen Jahr kamen eine ganze Reihe von Filmen in die Kinos, in denen es um das Netz der Netze ging: In „The Net“, „Johnny Memnonic“ oder „Exit Out“ war das internationale Computernetzwerk Internet quasi der Hauptdarsteller.

„Mission: Impossible“ gehört zu einer „Generation“ von Internet- Filmen, in denen Computer und Computernetzwerke nicht mehr Location oder Gegenstand der Handlung sind, sondern ein entscheidendes, in die Story integriertes Element. In zwei der großen Ami-Blockbuster dieses Sommers geht es im Grunde um nichts weiter als um digitale Speichermedien, und wichtige Szenen dieser Filme handeln vom Netz: In „Mission: Impossible“ ist auf einer Syquest- Diskette eine Liste von amerikanischen Spionen gespeichert, und Tom Cruise fahndet im UseNet nach den Dieben. In „Eraser“ enthält eine CD-ROM die Baupläne für eine neue Wunderwaffe, und Arnold Schwarzenegger macht reihenweise Russenmafia zu Kleinholz, um sie zurückzubekommen.

Bis dahin hatte das amerikanische Mainstreamkino eigentlich kein gutes Verhältnis zu Computern und den Netzen, die sie verbinden: Entweder wurden sie als Reich des Bösen („War Games“, „Sneakers“, „Ghost in the Machine“) gezeigt, oder sie erschienen als elektronisches Märchenland, als Cyberspace („Tron“, „Der Rasenmähermann“).

In „Mission: Impossible“ gelingt es Brian De Palma, aus den visuell an sich nicht besonders aufregenden Computern einige feine cineastische Tricks rauszuholen. Dort gibt es eine Szene, die man Desktop-Split-Screen nennen könnte: Jon Voight überwacht einen Einsatz seiner Agenten in der amerikanischen Botschaft in Prag. Alle Agenten haben an den handelsüblichen Plätzen Mikrokameras installiert (in der Brille, der Brosche, der Krawattennadel). Die Aufnahmen werden zu Voights Laptop gesendet, auf dessen Monitor sie nebeneinander in kleinen Fensterchen zu sehen sind: Voilà, eine Split-Screen-Szene, mal nicht in Cinemascope, sondern auf Windows 95, und visuell sehr schön.

Netzwerktechnisch völlig bizarr wird es, wenn Tom Cruise im UseNet nach Ganoven sucht. Computerberater Andrew Eio, der schon für „Hackers“ die Benutzeroberflächen designt hat, benutzte Software von After Dark und Netscape, die er für den Film so modifizierte, daß sie nicht mehr zu erkennen ist. Um die abstrakten Vorgänge im Computer zu visualisieren, griff man bei „Mission: Impossible“ zu Adobe Photoshop und zu visuellen Metaphern, gegen die die bekannten Icons auf dem Macintosh-Desktop geradezu asketisch wirken: Als Tom Cruise ein E-Mail verschickt, klickt er dazu auf einen gelblichen Briefumschlag, der dann in die endlosen schwarzen Weiten des Cyberspace flattert.

„Wir haben uns kreative Freiheiten genommen“, sagt Eio über seine Screendesigns. „Die Basis ist die Wirklichkeit, die wir ein bißchen fortgeschrieben haben.“ Dabei sehen die Computeroberflächen in „Mission: Impossible“ eigentlich altmodisch aus: Das neue Windows oder der Netscape- Browser sind nicht kinokompatibel, weil sie zu fein und zu detailreich sind, um auf einer großen Leinwand nach etwas auszusehen. In „Mission: Impossible“ erinnern die grob gestalteten Benutzeroberflächen den Computernarren darum an alte DOS- oder Amiga-Zeiten. T. B.